Rz. 52
Die EUGüVO findet keine Anwendung in Polen. In Polen wird daher weiterhin das autonome Kollisionsrecht angewendet. Die persönlichen Ehewirkungen (Statut der Ehewirkungen) sowie die vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten (Güterrechtsstatut) beurteilen sich nach deren gemeinsamen Heimatrecht (Art. 51 Abs. 1 IPRG 2011). In Abweichung von dem allgemeinen Grundsatz des Vorrangs der polnischen Staatsangehörigkeit bei Mehrstaatern (Art. 2 Abs. 1 IPRG 2011) wird bei der Suche nach dem gemeinsamen Heimatrecht auch eine neben der polnischen bestehende Staatsangehörigkeit berücksichtigt (Art. 2 Abs. 3 IPRG 2011). Haben die Ehegatten keine gemeinsame Staatsangehörigkeit, so gilt ersatzweise das Recht des gemeinsamen Wohnsitzes. Besteht ein solcher nicht, so gilt das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts. Haben die Ehegatten auch keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat, so gilt das Recht des Staates, zu dem die engste Verbindung besteht (Art. 51 Abs. 2 IPRG 2011). Zu beachten ist nur die Rückverweisung (Art. 5 Abs. 1 IPRG 2011).
Rz. 53
Seit dem Inkrafttreten des IPRG 2011 am 16.5.2011 besteht auch die Möglichkeit einer Rechtswahl für das Güterrecht (Art. 52 IPRG 2011). Die Ehegatten können das Recht des Staates wählen, dem einer der Ehegatten angehört oder in dessen Gebiet ein Ehegatte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 52 Abs. 1 S. 1 IPRG 2011). Die Rechtswahl kann vor oder nach Eheschließung getroffen werden (Art. 52 Abs. 1 S. 2 IPRG 2011). Die Rechtswahl muss nach der allgemeinen Vorschrift zur Rechtswahl (Art. 4 Abs. 2 IPRG 2011) ausdrücklich erfolgen oder sich konkludent aus dem Ehevertrag ergeben.
Rz. 54
Das Güterrechtsstatut umfasst die vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten sowie die Aufteilung des Vermögens bei Scheidung der Ehe. Ein Ehevertrag unterliegt in erster Linie dem Recht, das die Ehegatten durch Vertrag gemäß den Bestimmungen über die güterrechtliche Rechtswahl gem. Art. 52 Abs. 1 IPRG 2011 vereinbart haben (Art. 52 Abs. 2 S. 1 IPRG 2011). Haben die Ehegatten keine Vereinbarung über das auf den Ehevertrag anwendbare Recht getroffen, so unterliegt dieser dem Recht, das im Zeitpunkt der Vereinbarung aufgrund objektiver Anknüpfung gem. Art. 51 IPRG 2011 anzuwenden ist (Art. 52 Abs. 2 S. 2 IPRG 2011). Die güterrechtliche Rechtswahl nach Art. 52 Abs. 1 IPRG 2011 sowie die Vereinbarung über das auf den Ehevertrag anwendbare Recht sind formell wirksam, wenn sie entweder den Formvorschriften des gewählten Rechts oder dem Recht am Abschlussort entsprechen (Art. 52 Abs. 3 IPRG 2011). Die Rückverweisung ist sowohl bei Rechtswahl als auch in Formfragen unbeachtlich (Art. 5 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 IPRG 2011).
Rz. 55
Das Statut der Ehewirkungen sowie das Güterrechtsstatut sind grds. wandelbar. Das Güterrechtsstatut ist jedoch unwandelbar, wenn es im Wege der subjektiven Anknüpfung bestimmt wird. Eine ausdrückliche Rechtswahl bzw. die Regelung der vermögensrechtlichen Beziehungen im Ehevertrag, welche regelmäßig eine konkludente Rechtswahl darstellt, bestimmen das Güterrechtsstatut unabhängig von den Änderungen des Sachverhalts.
Rz. 56
Das Kollisionsrecht sieht einen gewissen Schutz Dritter vor. Haben ein Ehegatte und ein Dritter als Gläubiger im Zeitpunkt der Entstehung eines Schuldverhältnisses ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat, so findet das Recht dieses Staates auf die Beurteilung der Wirksamkeit des ehelichen Güterstandes gegenüber Dritten Anwendung, es sei denn, dass der Dritte im Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses den Charakter und den Inhalt dieses Güterstandes kannte oder bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte kennen können oder dass die Anforderungen betreffend die Öffentlichkeit und die Eintragungen nach dem für den ehelichen Güterstand maßgeblichen Recht erfüllt wurden oder – in Bezug auf Sachenrechte an Immobilien – nach dem Recht des Belegenheitsstaates (Art. 53 Abs. 1 IPRG 2011). Die Regelung findet entsprechende Anwendung auf die Haftung eines Ehegatten für die durch den anderen Ehegatten eingegangenen Verpflichtungen hinsichtlich der Befriedigung der gewöhnlichen Familienbedürfnisse (Art. 53 Abs. 2 IPRG 2011).
Rz. 57
Auch im Kollisionsrecht der Ehefolgen ist der Vorrang von Kollisionsnormen aus bilateralen Abkommen zu beachten (siehe Rdn 15).