Rz. 87
Zur Anerkennung im Ausland erfolgter Scheidungen siehe in diesem Werk § 1 Quellen des europäischen und internationalen Familienrechts, Brüssel IIa-Verordnung (§ 1 Rdn 3 ff.). In Polen gilt seit 24.6.1996 das Haager Übereinkommen über die Anerkennung von Scheidungen und Trennungen von Tisch und Bett (siehe in diesem Werk Quellen des europäischen und internationalen Familienrechts, § 1 Rdn 85 ff.). Anerkennungsrelevante Bestimmungen enthalten auch einige bilateralen Abkommen.
Rz. 88
Im autonomen polnischen Zivilverfahrensrecht ist die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Art. 1145 ff. ZVGB geregelt. In der derzeitigen Fassung finden diese Vorschriften Anwendung auf Entscheidungen, welche ab dem 1.7.2009 erlassen wurden. Die Anerkennung erfolgt grundsätzlich kraft Gesetzes (Art. 1145 ZVGB), sofern keine Anerkennungshindernisse aus Art. 1146 § 1 ZVGB vorliegen:
▪ |
Die Entscheidung muss rechtskräftig sein (Nr. 1), was durch eine öffentliche Urkunde nachzuweisen ist, sofern sich die Rechtskraft nicht aus der Entscheidung selbst ergibt (Art. 1147 § 1 Nr. 2 ZVGB). |
▪ |
Die Anerkennung ist ausgeschlossen sofern in der Sache die ausschließliche internationale Zuständigkeit polnischer Gerichte vorbehalten ist (Nr. 2). |
▪ |
Dem Beklagten, der sich zur Sache nicht geäußert hat, ist das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß oder nicht rechtszeitig zugestellt worden, sodass er seine Rechte nicht wahrnehmen konnte (Nr. 3). |
▪ |
Einer Partei war im Laufe des Verfahrens die Möglichkeit der Verteidigung genommen (Nr. 4). |
▪ |
Zwischen den Parteien ist in derselben Sache ein Verfahren in Polen vor Rechtshängigkeit des ausländischen Verfahrens rechtshängig geworden (Nr. 5). |
▪ |
Die Entscheidung widerspricht einer früheren rechtskräftigen Entscheidung eines polnischen Gerichts oder einer ausländischen Entscheidung, welche in Polen anzuerkennen ist (Nr. 6). |
▪ |
Die Anerkennung widerspricht den Grundsätzen der polnischen öffentlichen Ordnung (Nr. 7). |
Rz. 89
Das Verschuldensprinzip im Scheidungsrecht gehört nicht zur polnischen öffentlichen Ordnung; ein fehlender Schuldspruch in einer ausländischen Scheidungsentscheidung schließt ihre Anerkennung in Polen nicht aus. Soweit das Verschulden nach dem Unterhaltsstatut relevant ist, kann – anders als in reinen Inlandsfällen – das polnische Gericht darüber im Unterhaltsprozess ad casum entscheiden.
Rz. 90
Die Anerkennungsregeln finden entsprechende Anwendung auf Entscheidungen der nichtgerichtlichen Stellen (Art. 1149/1 ZGBG). Problematisch und ungeklärt sind die Folgen von Privatscheidungen. Als ordre public-widrig wurden in der Rspr. Scheidungen durch Verstoßung (talaq) gewertet.
Rz. 91
Vorgesehen ist ein fakultatives Anerkennungsverfahren (Art. 1148 ZVGB), das auch von einem Dritten mit rechtlichem Interesse an der Anerkennung eingeleitet werden kann. An einem Verfahren über die Anerkennung einer ausländischen Scheidung müssen obligatorisch die entsprechend legitimierten Erben eines verstorbenen Ehegatten teilnehmen. Vollstreckbare ausländische Entscheidungen (z.B. Nebenentscheidungen im Scheidungsurteil) müssen in Polen für vollstreckbar erklärt werden (Art. 1150 ff. ZVGB).
Rz. 92
Schärfere Anerkennungsvoraussetzungen betreffen nach autonomem Recht Entscheidungen aus der Zeit bis zum 30.6.2009. Das Anerkennungsverfahren ist in solchen Fällen nicht fakultativ, sondern konstitutiv. Ferner war die Gegenseitigkeit im Verhältnis zum Ursprungsstaat grundsätzlich notwendig. Vorgesehen ist auch eine kollisionsrechtliche Nachprüfung der ausländischen Entscheidung (das aus polnischer Sicht anwendbare polnische Recht müsste im ausländischen Verfahren zur Anwendung kommen bzw. das der Entscheidung zugrunde liegende ausländische Recht war inhaltlich zu dem anwendbaren polnischen Recht nicht grundsätzlich unterschiedlich). Ebenso problematisch ist die Vollstreckbarerklärung einer bis zum 30.6.1996 erlassenen ausländischen Entscheidung (Art. 1150 ZVGB a.F.).