Rz. 5
Die Reichweite des Erbstatuts, soweit portugiesisches Recht aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes oder aufgrund Rechtswahl zur Anwendung kommt, ist umfassend und regelt den erbrechtlichen Bereich grundsätzlich in seiner ganzen Breite, Art. 23 EuErbVO. Es gilt insbesondere für folgende Fragen: Erbfähigkeit, Erbschaftsannahme (Art. 2050–2061 CC), Ausschlagung (Art. 2062–2067 CC) und Erbverzicht, Auskunftsrecht gegen Erbschaftsbesitzer, Umfang des Nachlasses. Weiter entscheidet es über den Kreis der gesetzlichen Erben, die Art des Erwerbs des Nachlasses, die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten (Art. 2068–2074 CC), über die Rechte und Pflichten der Miterben, die Rechtsverhältnisse der Miterben zueinander und der Erbauseinandersetzung, die Noterbenrechte (sucessão legítima, Art. 2131–2155 CC) wie auch über die Bestimmung des Kreises der Berechtigten sowie über die Schenkung von Todes wegen und schließlich über die Testamentsvollstreckung.
Rz. 6
Ausnahmen vom Prinzip der Geltung des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes gelten allein für die Erbfolge aufgrund letztwilliger Verfügung. Abweichend vom allgemeinen Erbstatut gilt in einigen Punkten das Personalstatut des Erblassers zur Zeit der Errichtung seiner letztwilligen Verfügung (Errichtungsstatut), wenn der Erblasser zu diesem Zeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt am Errichtungsort hatte oder wenn er im Rahmen der Rechtswahl sein Heimatrecht (Recht des Staates, dem der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung angehört oder angehörte) gewählt hat. Dies betrifft v.a.: die Testier- und Widerrufsfähigkeit; die Erfordernisse einer besonderen Form der Verfügung infolge des Alters des Verfügenden; die Fähigkeit, eine Erklärung auch nach dem Wechsel des Personalstatuts noch zu widerrufen; die Auslegung der Erklärung mangels ausdrücklicher oder stillschweigender Bezugnahme auf ein anderes Recht, desgleichen Willensmängel; die Zulässigkeit von gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen mit Ausnahme der vorehelichen Vereinbarungen; die Form der Erklärung, und zwar neben dem Erbstatut und dem Recht des Errichtungsortes, soweit das Personalstatut nicht zwingend eine bestimmte Form vorschreibt.
Rz. 7
Bedeutung erlangten diese Ausnahmen erst, wenn nach Errichtung der letztwilligen Verfügung ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers eintritt.
Rz. 8
Unter Anwendung der EuErbVO kann der Erblasser das anwendbare Recht gem. Art. 22 EuErbVO wählen, d.h., es kann das Heimatrecht oder eines der Heimatrechte des Erblassers im Zeitpunkt der Rechtswahl Anwendung finden.
Praxishinweis:
Wurde eine letztwillige Verfügung vor dem 17.8.2015 errichtet und wurde keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen, wird gem. Art. 83 Abs. 4 EUErbVO (effektives Erbstatut) davon ausgegangen, dass das Heimatrecht zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung gewählt wurde. Bei Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments oder Erbvertrags von Ehegatten mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit wird davon ausgegangen, dass das Recht des Errichtungsortes Anwendung findet, soweit die Urkunde keinen ausdrücklichen Vermerk zum anwendbaren Recht enthält.