I. Bestimmung des Erbstatuts aus portugiesischer Sicht
1. Staatsangehörigkeitsprinzip und Nachlasseinheit
Rz. 1
Das Internationale Privatrecht Portugals findet sich im Einleitungstitel des Código Civil von 1966, in den Art. 14–65 CC. Diese stellen eine ausführliche Kodifikation mit bisweilen Einzelfallcharakter dar. Die Regelungen des portugiesischen Internationalen Erbrechts befinden sich in den Art. 62–65 CC. Dabei wird Art. 63 CC in Art. 2223 CC mit einer Sonderregelung für die Wirksamkeit der von Portugiesen im Ausland errichteten Testamente ergänzt. Diese Regelungen finden nur noch dann Anwendung, wenn der Erbfall vor dem 17.8.2015 eingetreten ist.
Rz. 2
Europäisches Recht: Für die Europäische Union (mit Ausnahme von Dänemark, Irland und Großbritannien) gilt für Erbfälle seit dem 17.8.2015 die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (EuErbVO).
Rz. 3
Nach der EuErbVO wird grundsätzlich das Erbrecht des Staates angewendet, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Die Definition des Begriffs "gewöhnlicher Aufenthalt" in diesem Zusammenhang ist noch nicht abschließend geklärt. Für alle Menschen mit der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates, die z.B. auf Dauer in Portugal leben und dann versterben, gilt jedoch portugiesisches Erbrecht, gleichgültig, welche Staatsangehörigkeit sie besitzen. Das trifft insbesondere dauerhaft ins Ausland ziehende Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach Portugal verlegen und deutsche Rentner, die den überwiegenden Teil des Jahres in Portugal verbringen. Nähere Ausführungen zum Thema "gewöhnlicher Aufenthalt" finden sich in diesem Buch in § 2. Allerdings begründet die EuErbVO ein Wahlrecht, das sich wiederum nach der Nationalität des Erblassers richtet, jedoch aktiv, beispielsweise im Rahmen einer letztwilligen Verfügung, ausgeübt werden muss.
Rz. 4
Bilaterale Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Portugal auf dem Gebiet des Erbrechts liegen nicht vor, insbesondere existiert kein Deutsch-Portugiesisches Konsularabkommen mit erbrechtlichen Bestimmungen. Diese wären im Hinblick auf die nunmehr geltende Erbrechtsverordnung, die sowohl in Deutschland als auch in Portugal Anwendung findet, auch gegenstandslos.
2. Anwendungsbereich des Erbstatuts
Rz. 5
Die Reichweite des Erbstatuts, soweit portugiesisches Recht aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes oder aufgrund Rechtswahl zur Anwendung kommt, ist umfassend und regelt den erbrechtlichen Bereich grundsätzlich in seiner ganzen Breite, Art. 23 EuErbVO. Es gilt insbesondere für folgende Fragen: Erbfähigkeit, Erbschaftsannahme (Art. 2050–2061 CC), Ausschlagung (Art. 2062–2067 CC) und Erbverzicht, Auskunftsrecht gegen Erbschaftsbesitzer, Umfang des Nachlasses. Weiter entscheidet es über den Kreis der gesetzlichen Erben, die Art des Erwerbs des Nachlasses, die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten (Art. 2068–2074 CC), über die Rechte und Pflichten der Miterben, die Rechtsverhältnisse der Miterben zueinander und der Erbauseinandersetzung, die Noterbenrechte (sucessão legítima, Art. 2131–2155 CC) wie auch über die Bestimmung des Kreises der Berechtigten sowie über die Schenkung von Todes wegen und schließlich über die Testamentsvollstreckung.
Rz. 6
Ausnahmen vom Prinzip der Geltung des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes gelten allein für die Erbfolge aufgrund letztwilliger Verfügung. Abweichend vom allgemeinen Erbstatut gilt in einigen Punkten das Personalstatut des Erblassers zur Zeit der Errichtung seiner letztwilligen Verfügung (Errichtungsstatut), wenn der Erblasser zu diesem Zeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt am Errichtungsort hatte oder wenn er im Rahmen der Rechtswahl sein Heimatrecht (Recht des Staates, dem der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung angehört oder angehörte) gewählt hat. Dies betrifft v.a.: die Testier- und Widerrufsfähigkeit; die Erfordernisse einer besonderen Form der Verfügung infolge des Alters des Verfügenden; die Fähigkeit, eine Erklärung auch nach dem Wechsel des Personalstatuts noch zu widerrufen; die Auslegung der Erklärung mangels ausdrücklicher oder stillschweigender Bezugnahme auf ein anderes Recht, desgleichen Willensmängel; die Zulässigkeit von gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen mit Ausnahme der vorehelichen Vereinbarungen; die Form der Erklärung, und zwar neben dem Erbstatut und dem Recht des Errichtungsortes, soweit das Personalstatut nicht zwingend eine bestimmte Form vorschreibt.
Rz. 7
Bedeutung erlangten diese Ausnahmen erst, wenn nach Errichtung der letztwilligen Verfügung ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers eintritt.
Rz. 8
Unter Anwendung der EuErbVO kann der Erblasser das anwend...