I. Gesetzliche Erbfolge
1. Grundsatz der Universalsukzession
Rz. 44
Der Erbgang wird im Moment des Todes des Erblassers und an dem Ort seines letzten Wohnsitzes eröffnet (Art. 2031 CC). Die Regelungen über die gesetzliche Erbfolge finden sich in den Art. 2131–2155 Código Civil. Die gesetzliche Erbfolge tritt ein, wenn ein gültiges Testament des Erblassers nicht vorliegt (Art. 2131, 2132 CC).
2. Erbfähigkeit
Rz. 45
Grundsätzlich sind alle natürlichen Personen, die im Zeitpunkt des Anfalls der Erbschaft geboren oder bereits gezeugt sind oder nach dem Tod (post mortem) im Wege der künstlichen Befruchtung nach geltendem Recht gezeugt werden, erbfähig, soweit sie nicht von Gesetzes wegen ausgeschlossen sind (Art. 2033 Abs. 1 CC). Eine Erweiterung der Erbfähigkeit (capacidade sucessória) ist nach Art. 2033 Abs. 2 CC für die testamentarische wie auch für die vertragliche Erbfolge vorgesehen (siehe Rdn 56 ff.). Die gesetzlichen Ausschlussgründe sind in Art. 2034–2038 CC aufgeführt, nämlich die Erbunfähigkeit wegen Unwürdigkeit (siehe Rdn 46 f.).
3. Erbunwürdigkeit
Rz. 46
Nach Art. 2034 CC kommen folgende Personen wegen Erbunwürdigkeit nicht als Erbe oder Vermächtnisnehmer in Betracht:
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wer wegen vorsätzlicher Tötung des Erblassers, seines Ehegatten oder eines nahen Verwandten oder wegen bestimmter Verleumdungen dieser Personen verurteilt worden ist (lit. a und b); |
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wer den Erblasser durch Zwang oder Täuschung veranlasst hat, ein Testament zu errichten, zu widerrufen oder abzuändern (lit. c); oder |
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wer das Testament – vor oder nach dem Tode des Erblassers – verborgen, unterdrückt oder manipuliert oder von solchen Machenschaften profitiert hat (lit. d). |
Rz. 47
Zu lit. a) und b) stellt Art. 2035 CC klar, dass die Verurteilung wegen einer solchen Straftat auch nach Eröffnung des Erbgangs erfolgt sein kann, die Tat selbst indes zuvor begangen sein muss. Beachtlich ist die Erbunwürdigkeit, wenn sie vom Gericht auf einen innerhalb von zwei Jahren nach dem Erbfall zu stellenden Antrag hin erklärt wird; im Fall der lit. c) und d) des Art. 2034 CC beträgt die Frist ein Jahr ab Kenntnis der Erbunwürdigkeit (Art. 2036 CC).
Rz. 48
Die Feststellung der Erbunwürdigkeit hat zur Folge, dass die Berufung des Erbunwürdigen zum Erben als nicht erfolgt gilt und er selbst als bösgläubig anzusehen ist. In der gesetzlichen Erbfolge allerdings schließt die Erbunwürdigkeit nicht das Repräsentationsrecht der Abkömmlinge des Erbunwürdigen aus (Art. 2037 CC). Schließlich kann der Erbunwürdige durch den Erblasser trotz gerichtlicher Feststellung dieses Umstands "rehabilitiert" werden durch ausdrückliche Erklärung des Erblassers, im Testament oder im Rahmen einer notariellen Urkunde. Erfolgt die "Rehabilitierung" nicht ausdrücklich, wird der Erbunwürdige jedoch im Testament bedacht, obwohl der Erblasser den Grund der Erbunwürdigkeit kannte, dann kann der ursprünglich Erbunwürdige im Rahmen der testamentarischen Verfügungen gleichwohl erben (Art. 2038 CC).
4. Die Erbfolgeordnungen
Rz. 49
Innerhalb einer Ordnung wird nach dem Grad der Verwandtschaft zum Erblasser geerbt; innerhalb einer Ordnung und innerhalb eines Grades zu gleichen Teilen (pro Kopf). Die Erben einer früheren Ordnung schließen die einer späteren Ordnung von der gesetzlichen Erbfolge aus (Art. 2134 CC). Dabei ist die nachfolgende Ordnung berufen, wenn die Erben der vorgehenden Ordnung entweder erbunfähig sind oder die Erbschaft nicht annehmen. Nimmt einer von mehreren Erben innerhalb einer Ordnung seine Erbschaft nicht an oder ist einer erbunwürdig, fällt der auf ihn entfallende Erbteil zu gleichen Teilen den verbleibenden anderen zu (Anwachsung – direito de acrescer, vgl. Art. 2137 CC).
Rz. 50
Die gesetzlichen Erben listet Art. 2133 Abs. 1 CC in fünf Ordnungen auf.
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Zur ersten Ordnung gehören der überlebende Ehegatte und die Abkömmlinge des Erblassers – bei diesen ohne Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern (Art. 2139 Abs. 2 CC). Falls eines oder mehrere der Kinder seine Erbschaft nicht annehmen will oder kann, rücken dessen Abkömmlinge im Wege der Repräsentation nach (Art. 2140–2142 CC). |
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Erben zweiter Ordnung sind der Ehegatte und die Vorfahren in gerader Linie (Aszendenten). Ist ein überlebender Ehegatte nicht vorhanden, sind zunächst die Eltern des Erblassers auf den ganzen Nachlass berufen, dann die Großeltern zu gleichen Teilen. |
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Gesetzliche Erben dritter Ordnung sind die Geschwister des Erblassers und deren Abkömmlinge. |
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Die übrigen Seitenverwandten bis zum vierten Grade bilden die vierte Erbfolgeordnung. |
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Sind Erben der vierten Ordnung nicht vorhanden, ist – als fünfte Ordnung – der Staat gesetzlicher Erbe (siehe Rdn 53). |
5. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten
Rz. 51
Der überlebende Ehegatte gehört zur ersten wie zur zweiten Ordnung (siehe Rdn 50). Sein Erbteil differiert je nachdem, ob er mit Abkömmlingen zusammentrifft oder nur mit Vorfahren in gerader Linie (Aszendenten). Erbt er mit gesetzlichen Erben erster Ordnung, wird grundsätzlich nach Kopfteilen geerbt ...