Rz. 27
Die Ehescheidung unterliegt seit dem 21.6.2012 unter Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20.12.2010 zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anwendbaren Rechts (Rom III-Verordnung) bei fehlender Rechtswahl der Ehegatten in abgestufter Reihenfolge dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder unter bestimmten Bedingungen hatten, oder dem Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts besitzen, oder dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts.
Rz. 28
Folge ist, dass Ehegüterstatut und Ehewirkungsstatut (erster gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt nach der Eheschließung), und Scheidungsstatut (gewöhnlicher Aufenthalt zum Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens) auseinanderfallen können.
Praxishinweis:
Die Durchführung des Scheidungsverfahrens und die Entscheidung in Scheidungsfolgesachen durch die portugiesischen Gerichte im deutschen Recht und die deutschen Gerichte im portugiesischen Recht stellt die Richter vor erhebliche Herausforderungen. In streitigen Verfahren führt das Auseinanderfallen von anwendbarem Recht und Zuständigkeit der Gerichte zu taktischen Spielen, die nicht nur eine lange Prozessdauer verursachen, sondern auch nicht zur Befriedung der Parteien geeignet sind.
Rz. 29
Der rechtskräftig geschiedene Ehegatte erbt weder nach deutschem noch nach portugiesischem Recht. In Portugal erbt zudem auch der Ehegatte nicht, der gerichtlich getrennt lebt (separado judicialmente). Schließlich ist das Erbrecht nach portugiesischem Recht ausgeschlossen, wenn ein anhängiges Scheidungs- oder Trennungsverfahren nach dem Erbfall fortgesetzt wird (vgl. Rdn 52).
Rz. 30
Existiert ein Testament, das den anderen Ehegatten begünstigt, dann kann der Ehegatte nach portugiesischem Recht erneut frei verfügen und die testamentarische Verfügung ändern, da sowohl der Erbvertrag als auch das gemeinschaftliche Testament gesetzlich verboten sind (vgl. Rdn 70).
Rz. 31
Haben die Ehegatten nach deutschem Recht im Rahmen eines Berliner Testaments verfügt, dann bleibt der andere Ehegatte auch nach der rechtskräftigen Scheidung Alleinerbe, soweit das Testament nicht eine Klausel enthält, die es im Fall der Ehescheidung unwirksam werden lässt oder die Ehegatten gemeinsam die Verfügung widerrufen.
Praxishinweis:
Der deutsche Güterstand der Zugewinngemeinschaft wurde in der Vergangenheit in Portugal im Rahmen von Notarurkunden zumeist fälschlicherweise als Errungenschaftsgemeinschaft oder sogar als Gütergemeinschaft übersetzt. Mit der Folge, dass im Rechtsverkehr angenommen wird, dass die Immobilien im Eigentum beider Ehegatten gemeinsam stehen. Nach portugiesischem Verständnis können bei den genannten Güterständen die Ehegatten nicht gemeinsam, je zur ideellen Hälfte Eigentum erwerben und dies im Grundbuch eingetragen werden, weil bereits durch die Güterstande Gemeinschaftseigentum an allen während der Ehe erworbenen Gütern besteht.
Im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens kann es daher erforderlich sein, zunächst die Angaben zum Güterstand im portugiesischen Grundbuch zu berichtigen.