I. Vorbemerkung: Gemeinsame Aspekte
Rz. 55
Die Regelungen über Trennung und Scheidung im Código Civil basieren weitgehend auf dem Scheidungsgesetz von 1910, teilweise gehen sie in ihren Grundaussagen sogar auf den Código Civil von 1867 zurück. "Überspringt" man die Zeit von 1940–1975, als nach den Konkordatsgesetzen die Scheidung von nach kanonischem Recht geschlossenen Ehen unzulässig war, so lebt mit dem heutigen Zivilgesetzbuch das vormalige Scheidungs- und Trennungsrecht von 1910 in "modernisierter" Form wieder auf.
Rz. 56
Von der Gesetzessystematik her ist eine Lockerung des Ehebandes bis hin zur Scheidung vorgesehen – und zwar für die bürgerliche wie die katholische Ehe (Art. 24 Konkordat n.F. sowie Art. 1588 CC i.V.m. Art. 36 Abs. 2 der Verfassung). Zunächst wird die Bestandspflicht für den Fall der tatsächlichen Trennung geregelt (Art. 1675 Abs. 2 und 3 CC); sodann ist die einfache Trennung des Vermögens vorgesehen (Art. 1767–1772 CC); hervorzuheben ist insoweit, dass diese – ist sie einmal ausgesprochen – unwiderruflich ist. Im Anschluss daran finden sich zunächst die Bestimmungen über die Scheidung selbst und die Scheidungsfolgen (Art. 1773–1793 CC), erst darauf die über die gerichtliche Trennung (Art. 1794–1795-D CC). Das Gesetz kennt sowohl bei der Scheidung als auch bei der Trennung jeweils zwei Formen: die im gegenseitigen Einvernehmen und die streitige bzw. die ohne Zustimmung des anderen Ehegatten (die zumindest terminologisch die streitige Scheidung 2008 abgelöst hat). Die gerichtliche Separação (Trennung) ist nicht notwendige Voraussetzung für ein folgendes Scheidungsverfahren. Beide Rechtsinstitute haben indes zum Teil gleiche Rechtsgrundlagen. Die Eigenständigkeit der beiden Verfahren kommt insbesondere in den verschiedenen Zielen zum Tragen: Einmal wird "nur" Trennung begehrt, zum anderen Scheidung und damit die Auflösung des Ehebandes. In Bezug auf die katholischen Ehen soll als wesentliche Besonderheit bereits hier die Zuständigkeit des Kirchlichen Gerichts hervorgehoben sein – nur dieses kann die Auflösung der Ehe durch Dispens aussprechen (Art. 1625, 1626 CC, XXV Konkordat).
II. Scheidung
Rz. 57
Der Código Civil kennt zwei Arten der Scheidung (Art. 1773 Abs. 1 CC): die Scheidung im gegenseitigen Einvernehmen (divórcio com consentimiento do outro cônjuge) und die Scheidung ohne Zustimmung des anderen Ehegatten (divórcio sem consentimiento do outro cônjuge, die begrifflich die streitige Scheidung ersetzt hat). Dabei wird die einvernehmliche Scheidung gesetzessystematisch zuerst behandelt, genießt also den Vorzug vor der Scheidung ohne Zustimmung des anderen Ehegatten (vgl. Art. 1773 Abs. 2 CC). Nach Art. 1774 CC sollen die Ehegatten vor Beginn des Scheidungsverfahrens seitens des Zivilregisteramtes oder des Gerichts "auf die Existenz und die Ziele von Familienmediationsdiensten" hingewiesen bzw. darüber informiert werden.
1. Einvernehmliche Scheidung
Rz. 58
Auch die Scheidung im gegenseitigen Einvernehmen hat im Zuge der Scheidungsreform mit Gesetz Nr. 61/2008 vom 31.10.2008 eine Neufassung in den Art. 1775–1778-A CC erfahren. Nach Art. 1775 Abs. 1 CC kann die einvernehmliche Scheidung zu jeder Zeit von den Ehegatten gemeinsam beantragt werden. Folgende Vereinbarungen bzw. Dokumente müssen mit dem Antrag dem Zivilregisteramt vorgelegt werden (Art. 1775 Abs. 1 lit. a–e CC): die Auflistung des gemeinsamen Vermögens bzw. die Vereinbarung über die Vermögensaufteilung, die gerichtliche Entscheidung über die Ausübung der elterlichen Verantwortung über die minderjährigen Kinder bzw. die diesbezügliche Vereinbarung, die Vereinbarung über die Leistung von Unterhalt an den bedürftigen Ehegatten, eine solche über die Verwendung der ehelichen Wohnung sowie die Vorlage des – soweit vorhanden – beurkundeten Ehevertrages. Die Angabe eines Scheidungsgrundes wird nicht verlangt, ebenso wenig die Einhaltung einer (Mindest-)Trennungszeit vor Antragstellung. Damit muss nach portugiesischem Recht kein gesonderter Antrag hinsichtlich der Scheidungsfolgen gestellt bzw. ein eigenständiges Verfahren betrieben werden.
Rz. 59
Zunächst führt der Standesbeamte eine Besprechung mit den Ehegatten durch zwecks Prüfung, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Der Staatsanwaltschaft (Ministério Público) obliegt die Prüfung, ob die Kindesinteressen, d.h. die Vereinbarung über die Ausübung der elterlichen Verantwortung, gewahrt wurden (Art. 1776-A CC). Zuständig ist die Staatsanwaltschaft, die zur Gerichtsbarkeit des Gerichts der ersten Instanz gehört. Erforderlichenfalls unterbreitet der Standesbeamte (Art. 1776 Abs. 1 CC) bzw...