1. Allgemeines
Rz. 106
Unter dem Noterbrecht (legítima) versteht man denjenigen Teil der Güter, über den der Testierende nicht verfügen kann, weil er von Gesetzes wegen für die "Legitimerben" (herdeiros legitimários) bestimmt ist (Art. 2156 CC). Nach dieser Legaldefinition ist der Pflichtteil ein Noterbrecht einzelner Personen in Bezug auf einen bestimmten Teil der Erbschaft.
Rz. 107
Es handelt sich gemäß Art. 2156 CC um ein dingliches Recht, also ein echtes Erbrecht (pars hereditatis), und nicht nur ein bloßes Forderungsrecht. Damit hat der portugiesische Noterbe die Stellung eines gesetzlichen Erben, d.h., der Noterbe kann nicht ganz enterbt werden. Will er sein Noterbrecht geltend machen, muss er die Erbschaft annehmen (siehe Rdn 119 f.) und gegenüber den Testamentserben die Herabsetzung, erforderlichenfalls klageweise, verlangen (siehe Rdn 118).
Rz. 108
Das Recht auf den Noterbteil nach dem portugiesischen Código Civil (legítima) unterscheidet sich damit wesentlich vom Pflichtteilsrecht nach dem BGB. Während der Pflichtteilsberechtigte nach deutschem Recht durch den Erblasser enterbt werden kann, ist dies im Falle des Noterben portugiesischen Rechts gerade nicht möglich (zur engen Ausnahme siehe Rdn 109).
Rz. 109
Der das Noterbrecht umfassende Anteil am Nachlass ist nicht disponibel. Im Hinblick auf eine mögliche Belastbarkeit des Noterbrechts, dessen Ersetzung durch ein Vermächtnis und Enterbung ist auf Folgendes hinzuweisen:
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Der Noterbteil darf vom Erblasser nicht belastet werden (etwa mit einem Nutzungsrecht oder einer lebenslangen Rente), Art. 2163 CC. Bei Nichtbeachtung haben die gesetzlichen Erben die Wahl, das Vermächtnis zu erfüllen oder dem Vermächtnisnehmer nur die verfügbare Quote (den das Noterbrecht überschießenden Wert bis zur Höhe des Vermächtnisses) zu übergeben (Art. 2164 CC). |
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Der Erblasser kann das Noterbrecht "ablösen", indem er dem Berechtigten ein Vermächtnis aussetzt (Art. 2165 CC: legado em substitução da legítima). Dieser hat dann die Wahl zwischen beiden: Nimmt er das Vermächtnis an, so verliert er damit sein Noterbrecht wie er umgekehrt bei Annahme des Noterbrechts das Recht auf das Vermächtnis verliert (Art. 2165 Abs. 2 CC). Das Vermächtnis wird in diesen Fällen von der nicht-disponiblen Quote in Abzug gebracht. Übersteigt der Wert des Vermächtnisses den Noterbteil, wird der überschießende Wert von der disponiblen Quote in Abzug gebracht. |
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Schließlich ist eine Enterbung des Noterbberechtigten möglich – unter Angabe des Grundes im Testament, z.B. im Falle der Erbunwürdigkeit (Art. 2166 CC: deserdação). Der Enterbte kann dies innerhalb von zwei Jahren nach Testamentseröffnung gerichtlich anfechten (Art. 2167 CC: impugnação da deserdação). |
2. Kreis der Noterbberechtigten und Höhe ihrer Beteiligung
Rz. 110
Noterben sind der Ehegatte, die Vorfahren und die Nachkommen. Für sie gelten gem. Art. 2157 CC die Reihenfolge und die Regelungen der gesetzlichen Erbfolge (siehe Rdn 50 ff.).
Rz. 111
Die Höhe des Noterbteils richtet sich nach Rang und Anzahl der vorhandenen Noterben. Der Ehegatte allein erhält als Noterbteil die Hälfte des Nachlasses (Art. 2158 CC); bei Zusammentreffen mit Kindern erhalten alle zusammen ⅔ des Nachlasses (Art. 2159 Abs. 1 CC). Die Berechnung folgt nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge, hier also Art. 2139 CC:
Bei zwei Kindern erhalten diese als Pflichterben je ein Drittel (wegen der Pro-Kopf-Verteilung, Art. 2139 Abs. 1 CC) von ⅔, d.h. also 2/9, beide gemeinsam also 4/9, während der überlebende Ehegatte ein Drittel von den ⅔, über die der Erblasser nicht verfügen darf, erhält, also 2/9. Sind nur Kinder vorhanden, so beträgt der Noterbteil für ein einziges Kind die Hälfte des Nachlasses und für mehrere Kinder zusammen zwei Drittel des Nachlasses (Art. 2159 Abs. 2 CC). Dabei werden, wie bei der gesetzlichen Erbfolge, nicht erbende Kinder durch ihre Nachkommen repräsentiert.
Rz. 112
Die legítima bei Zusammentreffen des überlebenden Ehegatten mit Aszendenten beträgt zwei Drittel des Nachlasses (Art. 2161 Abs. 1 CC). Sind allein Vorfahren vorhanden, so beläuft sich der Noterbteil bei Verwandten des ersten Grades auf die Hälfte und bei Verwandten des zweiten oder eines entfernteren Grades auf ein Drittel des Nachlasses (Art. 2161 Abs. 2 CC).
3. Feststellung der (Überschreitung der) disponiblen Quote
Rz. 113
Berechnungsgrundlage für das Noterbrecht ist der im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandene Nachlass. Diesem werden grundsätzlich die vom Erblasser vorgenommenen Schenkungen sowie die den Nachkommen geleisteten außergewöhnlichen Zuwendungen hinzugerechnet, und hiervon dann die Nachlassschulden abgezogen (Art. 2110, 2162 CC).
Unberücksichtigt bleiben hierbei ausdrücklich die den Nachkommen geleisteten außergewöhnlichen Zuwendungen für Hochzeit, Unterha...