1. Auslegung eine Amtspflicht des Grundbuchamts
Rz. 89
Die Bewilligung und die sonstigen Grundbucherklärungen sind unter Beachtung des § 28 GBO und der für ihre Auslegung gezogenen Grenzen der Auslegung zugänglich, die unter Beachtung der Grundsätze der §§ 133, 157 BGB und der Besonderheiten des Grundbuchverkehrs zu den Amtspflichten des Grundbuchamts gehört, sofern nicht die Eindeutigkeit der Erklärungen eine Auslegung ausschließt. Grundbucherklärungen, insbes. Bewilligungen als Verfahrenshandlung, unterliegen der freien Auslegung durch das Gericht der Rechtsbeschwerde (vgl. § 78 GBO Rdn 71 ff.).
2. Auslegung im Eintragungsverfahren
Rz. 90
Zur Auslegung einer Bewilligung, die durch Bezugnahme zum Inhalt des Grundbuchs geworden ist, ist auf Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt. Der Wille der an der Grundbucherklärung Beteiligten ist gegenüber demjenigen zweitrangig, was ein potentieller Betrachter als objektiven Inhalt der Grundbucherklärung ansehen muss. Für das Eintragungsverfahren, also die vorgelagerte Auslegung durch das Grundbuchamt, kann im Grunde nichts anderes gelten, so dass auch andere Urkunden und Umstände einer Auslegung nur im beschriebenen Umfang (vgl. Rdn 87) zugrunde gelegt werden können. Diese Argumentation betrifft freilich die Bewilligung und die anderen Grundbucherklärungen nur soweit, als eine Bezugnahme stattfinden soll und nach § 44 Abs. 2 S. 1 GBO muss. Im Interesse späterer Rechtsnachfolger und Dritter dürfen zur Auslegung nur die allgemein für jedermann ohne weiteres erkennbaren und die aus den Eintragungsunterlagen konkret ersichtlichen Umstände herangezogen werden, wie sie jeder dinglich Berechtigte und Verpflichtete aus dem Urkunden entnehmen muss, die die Grundlage des eingetragenen Rechtes und der sich daraus ergebenden Verpflichtungen bilden.
Rz. 91
Stillschweigende oder schlüssige Erklärungen genügen dem Grundbuchverkehr nur ausnahmsweise, wenn sie ohne Widerspruch zum Inhalt der beurkundeten Erklärungen einen unbedingt zwingenden und eindeutigen Schluss zulassen. Die Auslegung muss zu einem den Anforderungen des Grundbuchverkehrs an Klarheit und Bestimmtheit entsprechenden zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führen. Es genügt nicht, dass das Grundbuchamt einen eintragungsfähigen Inhalt als möglich erachtet oder dass mehrere Auslegungen möglich sind, von denen jede zu einem anderen auslegungsfähigen Ergebnis führt. Das Grundbuchamt darf aber nicht alle entfernt liegenden Möglichkeiten heranziehen, für die keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich sind, und selbst naheliegenden Zweifeln am Erklärungsinhalt nicht nachgehen, wenn zur Behebung solcher Zweifel Umstände außerhalb der Eintragungsunterlagen zu berücksichtigen wären, die nicht offenkundig sind. Es ist vielmehr für die Auslegung vom Regelfall auszugehen. Das Nächstliegende ist maßgebend, solange keine gegenteiligen Anhaltspunkte ersichtlich sind; es bedarf keiner Hervorhebung. Das Grundbuchamt begeht keine Gesetzesverletzung, wenn es aufgrund einer rechtlich vertretbaren Auslegung die Eintragung vornimmt.
3. Einzelfälle
Rz. 92
Beispiele zu grundlegenden Auslegungsfragen aus der Rechtsprechung:
▪ |
Auslegung einer Abtretungserklärung: BGH Rpfleger 1969, 202. |
▪ |
Auslegung einer Aufgabeerklärung: BGHZ 60, 46, 52 = DNotZ 1973, 367, 370. |
▪ |
Auslegung einer Auflassung (siehe auch § 20 GBO Rdn 88): BayObLGZ 1974, 112, 115 = DNotZ 1974, 442; BayObLGZ 1977, 189 = Rpfleger 1977, 360. |
▪ |
Auslegung einer Eintragungsbewilligung (siehe auch § 19 GBO Rdn 15): BGH DNotZ 1970, 567; BayObLG Rpfleger 1976, 304. |
▪ |
Auslegung eines Löschungsantrags, einer Löschungsbewilligung oder einer Löschungszustimmung (siehe auch § 27 GBO Rdn 13): BayObL... |