1 Leitsatz
Der Verwalter hat eine Vertretungsmacht, bei Altverfahren ohne Beteiligung der Wohnungseigentümer für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu entscheiden, ob ein Altkläger weiterhin prozessführungsbefugt ist.
2 Normenkette
§§ 9a Abs. 2, 48 Abs. 5 WEG
3 Das Problem
Wohnungseigentümerin K geht mit einer vor dem 1.12.2020 (WEG-Reform) erhobenen Klage wegen einer Störung auf Unterlassung vor. Sie ist der Ansicht, zu der Klage berechtigt zu sein, da das Sondereigentum, aber auch das gemeinschaftliche Eigentum, zu entstören seien.
4 Die Entscheidung
Der BGH weist zur Vorbereitung seiner mündlichen Verhandlung darauf hin, die Ansicht, K's Prozessführungsbefugnis für die geltend gemachten Unterlassungsansprüche könne (auch) aus dem Sondereigentum abgeleitet werden, erscheine zweifelhaft.
Daher könnte es entscheidend darauf ankommen, ob K auf der Grundlage der Ausführungen des Senats (BGH, Urteil v. 7.5.2021, V ZR 299/19) im Hinblick auf die Störung des gemeinschaftlichen Eigentums weiterhin ausübungsbefugt (also prozessführungsbefugt und aktivlegitimiert) ist. In der genannten Entscheidung habe der Senat ausgeführt, dass die Prozessführungsbefugnis fortbestehe, bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs über einen entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mitgeteilt werde. Dabei habe der Senat ausdrücklich und unmissverständlich hervorgehoben, dass es insoweit auf die Wirksamkeit der Entscheidungsbildung der Wohnungseigentümer im Innenverhältnis, insbesondere die Wirksamkeit eines dazu gefassten Beschlusses, nicht ankomme. Aufgrund der Vertretungsmacht des Verwalters im Außenverhältnis (§ 9b Abs. 1 Satz 1 WEG) sei weder die Nichtigkeit eines gefassten Beschlusses zu prüfen noch komme eine Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf ein etwaiges Beschlussanfechtungsverfahren in Betracht.
Fehle es an der wirksamen Willensbildung im Innenverhältnis, könne dies allerdings Regressansprüche des klagenden Wohnungseigentümers begründen.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, ob und wie lange ein Wohnungseigentümer, der bereits vor dem 1.12.2020 für eine Entstörung des gemeinschaftlichen Eigentums gerichtlich kämpft ("Altkläger"), zur Führung dieses Prozesses befugt ist.
Willensbildung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
Nach Ansicht des BGH müssen die Wohnungseigentümer im Innenverhältnis nach § 19 Abs. 1 WEG bestimmen, ob ein Altkläger die Prozessführungsbefugnis verliert. Der Beschluss bedarf einer einfachen Mehrheit.
Rechte des Verwalters
Der Verwalter ist nach § 27 Abs. 1 WEG im Innenverhältnis nicht befugt, auf die Prozessführungsbefugnis des Altklägers einzuwirken. Handelt er im Außenverhältnis dennoch, soll seine Erklärung namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wirksam sein. Der Verwalter kann dem Altkläger aber Schadensersatz schulden.
6 Entscheidung
BGH, Beschluss v. 4.11.2021, V ZR 106/21