Leitsatz

Der 15-jährige Sohn der Antragsgegnerin lebte bei seinem Vater, dem geschiedenen Ehemann der Mutter, die wieder verheiratet war. Der Antragsteller ist als Folge spastischer Lähmungen schwer behindert und begehrte regelmäßigen Wochenend- und Ferienumgang mit seiner Mutter, die 200 km entfernt lebte und vollschichtig erwerbstätig war.

Ohne Einschaltung des Jugendamtes beantragte er die Regelung des Umgangsrechts mit seiner Mutter, die keine Notwendigkeit für eine gerichtliche Regelung sah. Sie besuche das Kind regelmäßig, könne allerdings wegen der weiten Entfernung, der damit verbundenen Kosten und der Notwendigkeit der Pflege ihrer krebskranken Mutter keinen Wochenendumgang wahrnehmen.

Das FamG lehnte den Antrag des Kindes auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen Mutwilligkeit ab. Es liege kein Regelungsinteresse vor, da der Umgang regelmäßig stattfinde. Im Übrigen sei der Antragsteller verpflichtet gewesen, vor Einleitung des Umgangsverfahrens die Vermittlung durch das Jugendamt in Anspruch zu nehmen.

Das Rechtsmittel des Antragstellers hatte Erfolg.

 

Sachverhalt

Siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG hielt das Anliegen des Antragstellers für gerechtfertigt und hat dem Antragsteller die beantragte Prozesskostenhilfe bewilligt.

Zur Begründung führte es u.a. aus, ein Regelungsbedürfnis für den Umgang entfalle nicht im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG vom 1.4.2008 (vgl. BVerfG FamRZ 2008, 845-853). Nach der Entscheidung des BVerfG diene ein Umgang mit dem Kind, der nur mit Zwangsmitteln gegen seinen umgangsunwilligen Elternteil durchgesetzt werden könne, in der Regel nicht dem Kindeswohl. Der durch die Zwangsmittelandrohung bewirkte Eingriff in das Grundrecht des Elternteils auf Schutz der Persönlichkeit sei deshalb nicht gerechtfertigt, sofern nicht hinreichende Anhaltspunkte vorhanden seien, die darauf schließen ließen, dass ein erzwungener Umgang doch dem Kindeswohl dienen werde.

Das OLG wies darauf hin, dass allein die Einleitung eines Umgangsverfahrens durch das Kind wegen der Umgangspflicht der Mutter als solche noch nicht deren Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit beeinträchtige. Erst eine zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht bzw. eine entsprechende Androhung seien geeignet, in unzulässiger Weise in die verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit der Antragsgegnerin einzugreifen (vgl. BGH FamRZ 2008, 1334 f.).

Die weitere Frage, ob die Verweigerung der Prozesskostenhilfe auf eine unterbliebene Beratung durch das Jugendamt gestützt werden könne, sei umstritten. Das OLG folgte der Auffassung, wonach auf das Verhalten einer vernünftigen Partei abzustellen sei, die ihren Prozess selbst finanzieren müsse.

Eine solche Partei werde normalerweise zuerst die ihr eröffneten Möglichkeiten einer kostenlosen Streitbeilegung nutzen, bevor sie das Gericht anrufe.

Allerdings biete der vorliegende Fall die Besonderheit, dass sich die Eltern 2006 mit Unterstützung des Jugendamtes auf eine Umgangsregelung geeinigt hätten, die in der Folgezeit von der Mutter nicht eingehalten worden sei. Vor diesem Hintergrund habe der Antragsteller ohne erneute Beratung durch das Jugendamt direkt eine gerichtliche Hilfe beantragen dürfen, weshalb ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen sei.

 

Link zur Entscheidung

OLG Stuttgart, Beschluss vom 07.08.2008, 16 WF 194/08

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