Leitsatz

Bei der isolierten Geltendmachung einer Folgesache außerhalb des Scheidungsverbundes ist die Rechtsverfolgung einer prozesskostenarmen Partei nicht schon deshalb mutwillig, weil sie die Folgesache nicht bereits im Ehescheidungsverbund geltend gemacht hat. Von einer Mutwilligkeit kann allenfalls dann ausgegangen werden, wenn eine verständige Partei sie in gleicher Situation nicht bzw. nicht in gleicher Weise vornehmen würde.

 

Sachverhalt

Die Klägerin hatte nach rechtskräftiger Ehescheidung Stufenklage auf Auskunftserteilung und Zahlung von Zugewinnausgleich erhoben und hierfür die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Das Familiengericht Neustadt als erstinstanzliches Gericht hatte den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen. Gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfe-Beschluss legte die Klägerin Beschwerde beim OLG Celle ein, die im Ergebnis erfolgreich war.

 

Entscheidung

In der Begründung seines Beschlusses führt das OLG Celle aus, von einer Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung sei nur dann auszugehen, wenn eine verständige Partei sie in gleicher Situation nicht bzw. nicht in gleicher Weise wahrnehmen würde. Hierbei ständen vielfach wirtschaftliche Abwägungen im Vordergrund, die aber nicht allein ausschlaggebend seien.

Von einer Mutwilligkeit könne jedenfalls nicht schon deswegen ausgegangen werden, weil die Klägerin ihren Anspruch nunmehr isoliert geltend mache, den sie als Folgesache im Ehescheidungsverfahren hätte geltend machen können.

Der Gesetzgeber habe es den Parteien hinsichtlich der "optionalen Folgesachen" grundsätzlich freigestellt, sich für eine einheitliche Lösung von Ehescheidung und Folgesachen in einem einheitlichen Verfahren (dem Verbundverfahren) zu entscheiden oder aber einer zügigen Scheidung und einem nachfolgenden isolierten Streit um eine oder mehrere Folgesachen den Vorrang einzuräumen. Dieses Wahlrecht stehe grundsätzlich auch der prozesskostenarmen Partei selbst bei Anfall höherer Rechtsverfolgungskosten zu. Anderenfalls würde dieses Wahlrecht aus wirtschaftlichen Gründen einerseits völlig ausgehöhlt und andererseits eventuell das Ehescheidungsverfahren aus der vagen Sorge, es könne in möglichen Folgesachen die außergerichtliche Einigung scheitern und man könne dann die Prozesskosten nicht mehr aufbringen, mit allen möglichen Folgesachen aufgebläht.

Im Übrigen müsse den Rechtsuchenden die Möglichkeit bleiben, Ansprüche soweit irgend möglich außergerichtlich zu regeln und nicht nur deshalb, weil das Ehescheidungsverfahren anhängig ist, die Regelung aller möglichen Folgesachen über das Knie zu brechen.

 

Hinweis

Eine außerordentliche erfreuliche Entscheidung des OLG Celle, die den Erfordernissen der Praxis Rechnung trägt. Tatsächlich ist nicht einzusehen, weswegen einer finanziell schwachen Partei zugemutet werden soll, alle in Betracht kommenden Ehescheidungsfolgen im Rahmen des Ehescheidungsverbundes geltend zu machen und hiermit unter anderem eine erhebliche Verzögerung des Ehescheidungsverfahrens hinzunehmen. Auch der prozesskostenarmen Partei muss es vorbehalten bleiben, hier taktische Erwägungen gelten zu lassen und Folgesachen auch noch außerhalb des Verbundes verfolgen zu können.

 

Link zur Entscheidung

OLG Celle, Beschluss vom 30.06.2004, 21 WF 173/04

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