Gesetzestext
(1) Diese Verordnung ist in grenzüberschreitenden Rechtssachen in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sowie die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte (›acta jure imperii‹).
(2) Diese Verordnung ist nicht anzuwenden auf
a) |
die ehelichen Güterstände, das Gebiet des Erbrechts einschließlich des Testamentsrechts, |
b) |
Konkurse, Verfahren im Zusammenhang mit dem Abwickeln zahlungsunfähiger Unternehmen oder anderer juristischer Personen, gerichtliche Vergleiche, Vergleiche und ähnliche Verfahren, |
c) |
die soziale Sicherheit, |
d) |
Ansprüche aus außervertraglichen Schuldverhältnissen, soweit
i) |
diese nicht Gegenstand einer Vereinbarung zwischen den Parteien oder eines Schuldanerkenntnisses sind, oder |
ii) |
diese sich nicht auf bezifferte Schuldbeträge beziehen, die sich aus gemeinsamem Eigentum an unbeweglichen Sachen ergeben. |
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(3) In dieser Verordnung bedeutet der Begriff ›Mitgliedstaat‹ die Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks.
Rn 1
Der Begriff der grenzüberschreitenden Rechtssache ist in Art 3 definiert. Sachlich entsprechen Art 2 I und Art 2 II lit a–c dem Art 1 I Brüssel-Ia-VO. Dies gilt auch für die Abgrenzung zum Insolvenzverfahren in Abs 2 lit b (dazu Niesert/Stöckel NZI 10, 638). Außerdem ist klargestellt, dass Staatshaftungssachen, in denen es um acta iure imperii geht, ausgeschlossen sind (vgl Art 1 EuZVO Rn 1).
Rn 2
Abs 2 lit d nimmt außervertragliche Schuldverhältnisse aus dem Anwendungsbereich heraus, da die EuMVVO vorrangig die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche aus unternehmerischer Tätigkeit im Blick hat (Erw 6). Die Abgrenzung zwischen vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnissen ist autonom vorzunehmen, kann aber praktisch zu einem unterschiedlichen Anwendungsbereich führen (Sujecki EuZW 06, 330, 331 [BGH 11.01.2006 - VIII ZR 268/04]). Zu Einzelfällen s BeckOKZPO/Wolber Rz 9.1.
Rn 3
Die Formulierung in Abs 2 lit d ii) leidet unter Unklarheiten bei der Übersetzung: Die deutsche Fassung spricht von ›unbeweglichen Sachen‹, während die englische Fassung ›property‹ nennt, die französische Fassung ›biens‹ (Vermögensgegenstände, so auch die deutsche Fassung des Formblatts A) und die niederländische ›goederen‹ (Sujecki NJW 07, 1622, 1623). Es sind wohl mindestens alle körperlichen Sachen gemeint.
Rn 4
Gem Abs 3 gilt die VO nicht für Dänemark, dh dort kann ein Europäischer Zahlungsbefehl weder erwirkt noch aus sich heraus vollstreckt werden. Weil Dänemark gem Abs 3 kein Mitgliedstaat iSd EuMVVO ist, reicht der Sitz einer der Parteien in Dänemark auch nicht aus, um eine grenzüberschreitende Rechtssache iSv Art 3 I zu begründen.