Gesetzestext
(1) Das Gericht bestimmt die Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme, die im Rahmen der für die Zulässigkeit von Beweisen geltenden Bestimmungen für sein Urteil erforderlich sind. Es wählt die einfachste und am wenigsten aufwendige Art der Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht kann die Beweisaufnahme mittels schriftlicher Aussagen von Zeugen oder Sachverständigen oder schriftlicher Parteivernehmung zulassen.
(3) Ist eine Person im Rahmen der Beweisaufnahme anzuhören, so findet die Anhörung nach Maßgabe des Artikels 8 statt.
(4) Das Gericht darf Sachverständigenbeweise oder mündliche Aussagen nur dann zulassen, wenn es nicht möglich ist, aufgrund anderer Beweismittel ein Urteil zu fällen.
Rn 1
Gem Abs 1 gilt im Grundsatz das Freibeweisverfahren; eine Bindung an bestimmte Beweismittel, Beweiserhebungsformen oder Beweiswürdigungsregeln kennt die EuGFVO nicht. Bei grenzüberschreitenden Beweisaufnahmen sind allerdings die Regeln der EuBVO einzuhalten (Rauscher/Varga Rz 4).
Rn 1a
Abs 2 normiert einen grundsätzlichen Vorrang schriftlicher Zeugenvernehmungen und Sachverständigengutachten. Insoweit gelten die jeweiligen Regelungen der ZPO. Bei schriftlichen Zeugenaussagen ist zu beachten, dass bei einem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedsstaat den Anschreiben keine Androhung von Ordnungs- und Zwangsmitteln beigefügt sein darf (Celle Beschl v 20.2.20 – 11 U 169/19). Gerade bei Zeugenaussagen wird eine schriftliche Vernehmung aber ohnehin längst nicht in jedem Fall zweckmäßig sein. Abs 2 verpflichtet das Gericht daher gerade bei Zeugenaussagen, die Möglichkeit einer schriftlichen Vernehmung in Erwägung zu ziehen, verpflichtet das Gericht aber nicht zu einer schriftlichen Vernehmung.
Rn 1b
Für die Vernehmung von Beweispersonen verweist Abs 3 auf die Möglichkeit der Vernehmung im Wege der Bild- und Tonübertragung, für die gem § 1101 II auf § 128a II verweist. Dabei sind bei Vernehmungen von Zeugen und Sachverständigen und bei Anhörungen der Parteien gem Art 8 I 2 die Regelungen der EuBVO zu beachten (s Art 8 Rn 1).
Rn 2
Die scheinbare Beschränkung der Beweismittel in Abs 4 ist nur deklaratorisch zu verstehen, denn jedes Beweismittel ist ohnehin nur dann zu verwenden, wenn es für die Feststellung der relevanten Tatsachen notwendig ist. Unnötige Beweise werden auch im normalen Zivilverfahren nicht erhoben. Insbesondere kann Abs 4 nicht so verstanden werden, als sei der Sachverständigenbeweis oder die mündliche Zeugenaussage ausgeschlossen. Im Gegenteil: Sofern eine Partei einen solchen Beweis anbietet und er auch erheblich erscheint, so muss ihm nachgegangen werden. Daran ändern auch ökonomische Erwägungen (Abs 1) nichts, da der Grundsatz des fairen Verfahrens in Art 6 EMRK und Art 47 II EuGRCh und der Anspruch auf rechtliches Gehör keine Kostengrenze bei Beweiserhebungen enthalten. Insbesondere gibt es keinen Grundsatz, wonach die Verfahrenskosten die Höhe des streitigen Anspruchs nicht übersteigen dürfen.