Prof. Dr. Boris Schinkels
I. Zuständigkeit (lit a).
Rn 3
Lit a S 1 stellt klar, dass die Zuständigkeit auch dann auf ein Spezialübereinkommen gestützt werden kann, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz (Art 62) in einem Mitgliedstaat hat, der nicht Vertragsstaat des Übereinkommens ist. Nicht ganz unproblematisch ist der Verweis in Abs 2 lit a S 2. Die Vorgängervorschrift des Art 57 II lit a S 2 EuGVÜ hat insb das OLG Dresden dahin verstanden, dass die gem Art 31 CMR begründete Zuständigkeit eben keine Zuständigkeit iSd EuGVÜ sei, der Beklagte diese also durch bloßes Nichteinlassen aushebeln könne, so dass sich das angerufene Gericht nach Art 20 I EuGVÜ (Art 26 EuGVO) für unzuständig zu erklären habe (Dresd IPRax 00, 121 [OLG Dresden 24.11.1998 - 14 U 713/98] m abl Anm Haubold [91]). Der EuGH hat dieses absurde Ergebnis durch die Annahme einer Inkorporationswirkung des Art 57 II lit a EuGVÜ vermieden, wonach sich eine nach dieser Norm ›unberührte‹ Zuständigkeit aufgrund eines Übereinkommens für die Zwecke des Art 20 I EuGVÜ (Art 28 EuGVO nF) als eine ›nach dem EuGVÜ begründete‹ darstellt (EuGH C-148/03 – Nürnberger Allgemeine Versicherungs AG, Rz 17, NJW 05, 44; zum Verhältnis von Art 31 CMR und Art 71 ferner EuGH C-157/13 – Nickel & Goeldner Spedition, ZIP 15, 96; C-533/08 – TNT Express Nederland/AXA, NJW 10, 1736 [EuGH 04.05.2010 - Rs. C-533/08]). Das Inkorporationsmodell ist zwar konstruktiv nicht frei von Zweifeln (Schinkels IPRax 03, 517, 518 f), führt aber jedenfalls zum richtigen Ergebnis. Es wird erwogen, auf eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 31 CMR das Formerfordernis aus Art 25 zu erstrecken (in diesem Sinne etwa Schlosser/Hess Rz 5)
II. Anerkennung und Vollstreckung (lit b).
Rn 4
Lit b S 1 stellt klar, dass eine in einem Mitgliedstaat unter Inanspruchnahme der Zuständigkeit aus einem Übereinkommen iSv Abs 1 ergangene Entscheidung (Art 2 lit a) in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt wird. Maßgeblich ist dabei das Regime der Art 36 ff EuGVO, wenn das Abkommen selbst keine Regeln zu Anerkennung und Vollstreckung enthält; anderenfalls genießen letztere gem S 2 Vorrang.