I. Anpassungsvoraussetzungen (Nr 1).
Rn 2
Der Gesetzgeber sieht in Nr 1 eine Anpassungsmöglichkeit von rechtskräftigen Entscheidungen, anderen vollstreckbaren Titeln, Prozessvergleichen und nicht titulierten Unterhaltsvereinbarungen an die neue Rechtslage vor (Saarbr NJW-RR 10, 724, 725 [OLG Saarbrücken 23.06.2009 - 9 WF 37/09]). Die Abänderlichkeit eines bestehenden Titels stellt nicht die Ausnahme, sondern die Regel dar (BGH NJW 10, 2953 f [BGH 30.06.2010 - XII ZR 9/09]). Er macht die Anpassung davon abhängig, dass eine wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung eintritt und die Anpassung dem anderen Teil unter Berücksichtigung seines Vertrauens in die bestehende Regelung zumutbar ist (s hierzu auch BGH NJW 10, 3653, 3656 [BGH 20.07.2010 - XI ZR 465/07]). § 36 Nr 1 EGZPO beinhaltet keine eigene Abänderungsmöglichkeit, sondern macht deutlich, dass die Gesetzesänderung ein Fall des § 323 Abs 1 ZPO (aF) ist (BGH NJW 12, 2514; FamRZ 10, 1884 ff; NJW 10, 365, 366). § 36 Nr 1 EGZPO dient auch als mögliche Grundlage für ein Verlangen des Erben nach Begrenzung oder Befristung des Unterhaltsanspruchs, wenn der Erblasser und sein Ehegatte einen unbefristeten Anspruch auf nachehelichen Unterhalt vereinbart haben (Kobl NJW-RR 10, 303, 304 [OLG Koblenz 19.05.2009 - 11 UF 762/08]).
1. Wesentliche Änderung.
Rn 3
Zur Bestimmung der Wesentlichkeit der Änderung sind alle Umstände des Einzelfalls in einer Gesamtschau zu berücksichtigen. In die Betrachtung einzustellen sind Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse, aber auch Änderungen der Rechtslage (Schlesw NJW-RR 09, 1089 [OLG Schleswig 19.01.2009 - 15 UF 124/08]; BTDrs 16/1830, 33). Bei § 323 I ZPO nimmt die Rspr regelmäßig eine wesentliche Änderung bei Abweichungen der Unterhaltshöhe von etwa 10 % an (Borth FamRZ 08, 106, 107). Hieran wird man sich auch für Nr 1 orientieren können.
2. Zumutbarkeit der Änderung.
Rn 4
Das weitere Kriterium der Zumutbarkeit einer Änderung erlaubt eine flexible, an der Einzelfallgerechtigkeit orientierte Anpassung bestehender Unterhaltstitel und -vereinbarungen an die neue Rechtslage. Eine Abänderung muss dem anderen Teil zumutbar sein, womit bei einer Ausdehnung der Unterhaltsverpflichtung der Verpflichtete, bei ihrer Einschränkung der Berechtigte gemeint ist. Besonderes Gewicht soll dem Vertrauen auf den Fortbestand der bestehenden Regelung dann zukommen, wenn die Unterhaltsvereinbarung Bestandteil einer umfassenderen Regelung ist, die etwa das Güterrecht, den Hausrat, die Wohnung oder den Versorgungsausgleich einschließt (Einzelheiten bei Borth FamRZ 08, 105, 108 ff). Ebenfalls ist der Unterhaltsberechtigte besonders schutzwürdig, wenn er in diesem Vertrauen Dispositionen getroffen hat, die eine längerfristige Bindung zur Folge haben (Saarbr NJW-RR 11, 290, 292 [OLG Saarbrücken 15.07.2010 - 6 UF 4/10]). Umstände, die bei der Abwägung, ob eine Änderung zumutbar ist, berücksichtigt werden, sind zB Krankheit (Oldenburg Beschl v 18.12.13 – 3 UF 148/13 – BeckRS 2014, 01977; Karlsr NJW 09, 525, 526 [OLG Karlsruhe 30.09.2008 - 2 UF 5/02]), Dauer der Ehe, ehebedingte Nachteile (BGH NJW 12, 2028, 2030 [BGH 07.03.2012 - XII ZR 145/09]; BGH NJW 12, 309, 310 [BGH 23.11.2011 - XII ZR 47/10]), Kinderbetreuung und Erwerbsaussichten (Celle NJW-RR 09, 302), wirtschaftliche Belastung (Oldenburg Beschl v 18.12.13 – 3 UF 148/13 – BeckRS 2014, 01977).
II. Keine Präklusion (Nr 2).
Rn 5
Nr 2 stellt sicher, dass einer Anpassung der Unterhaltstitel an das neue Recht nicht die Präklusionsvorschriften der §§ 323 II, 767 II ZPO entgegenstehen. Sie gelten nicht, soweit die nach Nr 1 relevanten Umstände erstmalig in einer Abänderungsklage oder einer Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden, um den Unterhaltstitel an die neue Rechtslage anzupassen. Der Gesetzeswortlaut stellt zugleich klar, dass die Präklusionsvorschriften der §§ 323 II, 767 II ZPO bei späteren Verfahren wieder unbeschränkt gelten und auch bei einer erstmaligen Anpassung Anwendung finden, soweit es sich nicht um die in Nr 1 genannten Umstände handelt. Seit dem 1.1.09 richtet sich die Abänderung von Unterhaltsurteilen nach § 238 FamFG und nicht nach § 323 ZPO. Der Verweis auf § 323 II ZPO ist demzufolge als Verweis auf § 238 II FamFG zu verstehen (MüKoZPO/Gruber § 36 Rz 20).