Prof. Dr. Caroline Sophie Rupp
I. Anerkennungsversagungsgründe.
1. Allgemeines.
Rn 6
Es gilt das Prinzip der Anerkennung, entspr § 328 I Nr 1–4 ZPO u § 16a FGG aF listet I Anerkennungshindernisse abschließend auf. Daneben ist die Anerkennung ausgeschlossen, wenn die Gerichtsbarkeit des erkennenden Staates fehlte (BGHZ 189, 87, 90; Schulte-Bunert/Weinreich/Martiny Rz 28). Anerkennungshindernisse sind mit Ausnahme des I Nr 2 vAw zu prüfen (zu den Anforderungen an die Sachaufklärung BVerfG NJW 16, 626 [BVerfG 14.09.2015 - 1 BvR 1321/13]). Sie sind stets beachtlich, die Anerkennungsfähigkeit steht nicht zur Disposition der Beteiligten (MüKoFamFG/Rauscher § 109 Rz 9). Sie wird nicht vermutet, die Darlegungs- u Beweislast trifft den sich darauf Berufenden (Kobl RIW 04, 302).
2. Zuständigkeitsmängel, Nr 1.
Rn 7
Keine Anerkennung erfolgt, wenn die internationale Zuständigkeit des ausl Ursprungsgerichts nach den deutschen Bestimmungen (§§ 98–105) nicht gegeben gewesen wäre (sog ›Spiegelbildprinzip‹, zB BGH NJW 20, 3026; 19, 3575 Rz 8; BGHZ 203, 350 Rz 25; OVG Münster FamRZ 16, 2130). Maßgeblicher Zeitpunkt ist die Verfahrenseinleitung bzw der Entscheidungserlass im Ausland, nicht die Anerkennung (BGHZ 141, 286, 291; Schulte-Bunert/Weinreich/Martiny Rz 31 – Details str, aA Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller Rz 6). Die indirekte Anerkennungszuständigkeit fehlt insb bei Ausschließlichkeit der deutschen internationalen Zuständigkeit, die jedoch aufgrund § 106 selten ist; konkurrierende deutsche internationale Zuständigkeit schadet nicht (Sternal/Dimmler Rz 3). Die internationale Zuständigkeit des Bundesstaats genügt, wenn Teilstaaten des Entscheidungsstaats eigene Gerichte haben (BGHZ 141, 286; Prütting/Helms/Hau Rz 23).
3. Fehlende Einlassungsmöglichkeit, Nr 2.
Rn 8
Das Anerkennungshindernis der Verletzung rechtlichen Gehörs soll als Sonderfall des op die Kenntnis der Beteiligten v Ausgangsverfahren u die Möglichkeit zur Wahrnehmung ihrer Rechte sichern (Sternal/Dimmler Rz 5). Es wird nicht vAw geprüft u ist für den Betroffenen disponibel. Ein stillschweigender Verzicht kann in der Beantragung eines Anerkennungsfeststellungsverfahrens nach § 108 II liegen (Schulte-Bunert/Weinreich/Martiny Rz 36). Bei fehlender Berufung auf Nr 2 kann ggf ein op-Verstoß (Nr 4) in Betracht kommen (BGHZ 189, 87, 92; Celle FamRZ 2021, 540, krit Hau 543; MüKoFamFG/Rauscher Rz 32).
Rn 9
Voraussetzung ist, dass ein Beteiligter (§ 7) sich nicht zur Hauptsache geäußert hat, weil er das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß u rechtzeitig (kumulativ, BGH NJW 19, 2940; Stuttg FamRZ 17, 1518) genug zur Wahrung seiner Rechte erhalten hat. Maßgeblich ist die Urkunde, die das Tätigwerden des im Entscheidungsstaat zuständigen Gerichts auslöst u durch die er erstmals Kenntnis v Verfahren erhält (MüKoFamFG/Rauscher Rz 27 mwN). Die Ordnungsmäßigkeit der Mitteilung bzw Zustellung beurteilt sich nach dem Recht des Entscheidungsstaats (Stuttg FamRZ 17, 1518; BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 22); dazu gehören auch staatsvertragliche Vorschriften, insbes das HZÜ (zur WhatsApp-Zustellung nach kanadischem Recht jüngst Frankf FamRZ 22, 219 m Anm Hau). Verwirkung des Einwands mangelnder Zustellung kann durch grundlose Annahmeverweigerung eintreten (vgl Zweibr FamRZ 05, 997). Für die Bewertung der Rechtzeitigkeit im Einzelfall ist maßgeblich, ob dem Betroffenen ausreichend Zeit zur angemessenen Geltendmachung seiner Interessen blieb (zB BGH NJW 06, 701; BayObLG FamRZ 05, 923; Schulte-Bunert/Weinreich/Martiny Rz 34). Er darf im Ursprungsstaat keine tatsächliche oder rechtliche Erklärung zum Verfahrensgegenstand (bei Neben- u Folgesachen gilt Nr 2 jew separat, MüKoFamFG/Rauscher Rz 31) abgegeben haben, Äußerungen nur zu Verfahrensfragen schaden nicht (etwa Celle FamRZ 14, 142; Schulte-Bunert/Weinreich/Martiny Rz 35). Auch bei späterer Kenntnis v der Entscheidung u Unterlassen der Einlegung v Rechtsmitteln trotz bestehender Möglichkeit ist Nr 2 anwendbar (BGH NJW 19, 2940; München FamRZ 12, 1512; Stuttg FamRZ 17, 1518).
4. Entscheidungskollision, Nr 3.
Rn 10
Normiert sind drei Konstellationen der Unvereinbarkeit mit in- oder ausl Entscheidungen mit im Kern identischem Verfahrensgegenstand, wobei Beteiligtenidentität nicht zwingend ist (Hamm FamRZ 01, 1015; Ddorf FamRZ 13, 484; MüKoFamFG/Rauscher Rz 35). Alt 1 betrifft in Deutschland erlassene Entscheidungen, was EA (BGH NJW 92, 3108), nicht aber VKH-Entscheidungen (BGHZ 88, 17) erfasst. Sie müssen weder zeitlich früher erlassen noch rechtskr sein (Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller Rz 8); unschädlich sind fehlende internationale Zuständigkeit oder die Missachtung der ausl Entscheidung durch das deutsche Gericht (Prütting/Helms/Hau Rz 41). Ebenso ist die Anerkennung einer Entscheidung zu versagen, die die Rechtswirkungen einer deutschen Entscheidung über eine bloße Abänderung hinaus aufhebt oder anficht, ohne auf diese Bezug zu nehmen, wenn nach deutschem Verfahrensrecht eine Aufhebung u Anfechtung der Rechtswirkungen möglich wäre (Bremen FamRZ 17, 2042). Zwischen unvereinbaren ausländischen Entscheidungen normiert Alt 2 das Prioritätsprinzip: Vorrang hat die zeitlich früher ergangene Entscheidung...