Prof. Dr. Caroline Sophie Rupp
Gesetzestext
(1) Eine ausländische Entscheidung ist nicht vollstreckbar, wenn sie nicht anzuerkennen ist.
(2) 1Soweit die ausländische Entscheidung eine in § 95 Abs. 1 genannte Verpflichtung zum Inhalt hat, ist die Vollstreckbarkeit durch Beschluss auszusprechen. 2Der Beschluss ist zu begründen.
(3) 1Zuständig für den Beschluss nach Absatz 2 ist das Amtsgericht, bei dem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, und sonst das Amtsgericht, bei dem nach § 23 der Zivilprozessordnung gegen den Schuldner Klage erhoben werden kann. 2Der Beschluss ist erst zu erlassen, wenn die Entscheidung des ausländischen Gerichts nach dem für dieses Gericht geltenden Recht die Rechtskraft erlangt hat.
A. Anwendungsbereich.
Rn 1
§ 110 regelt die Vollstreckbarkeit ausl Entscheidungen im Inland.
I. Vorrangige Rechtsakte.
Rn 2
Vorrangige Staatsverträge (§ 97 I 1):
- Das KSÜ enthält Vollstreckungsregeln in Art 26 ff KSÜ, Ausführungsbestimmungen dazu das IntFamRVG. Art 7 S 2 MSA verweist auf autonome bzw staatsvertragliche Vollstreckungsregeln.
- Das EuSorgeRÜ regelt die Vollstreckung in Art 7 ff EuSorgeRÜ (Ausführungsdetails in §§ 16 ff IntFamRVG), schließt aber die Vollstreckung nach staatsvertraglichem oder autonomem Recht nicht aus (Art 19 EuSorgeRÜ).
- Das ESÜ regelt die Vollstreckung in Art 25 ff ESÜ, Ausführungsbestimmungen enthält das ErwSÜAG.
- Das LugÜ enthält in Art 38 ff LugÜ Vollstreckungsregeln.
- Das HaagUntÜ regelt die Vollstreckung in Art 19 ff HaagUntÜ, für Altfälle können Art 4 ff HUVÜ eingreifen. Ausführungsbestimmungen enthalten §§ 57 ff AUG.
Hinzu treten bilaterale Abkommen (§ 108 Rn 2).
Rn 3
Vorrangige EU-Rechtsakte (§ 97 I 2):
- Die Brüssel IIb-VO regelt in Art 34 f, 51 ff Brüssel IIb-VO die Vollstreckung v Entscheidungen über die elterliche Verantwortung (für Ehesachen ist die Vollstreckung irrelevant) aus anderen Brüssel IIb-MS, Sonderregeln zu Umgangsrecht u Rückgabe entführter Kinder enthalten Art 42 ff Brüssel IIb-VO. Einzelheiten zur Vollstreckung sind dem IntFamRVG zu entnehmen.
- Schutzmaßnahmen iSd EuGewSchVO bedürfen nach Art 4 I EuGewSchVO im Durchsetzungsstaat keines Anerkennungs- u Vollstreckbarkeitsverfahrens, wenn eine Bescheinigung nach Art 5 EuGewSchVO vorliegt.
- Die EuUntVO enthält Vollstreckungsregeln für Entscheidungen sowie gerichtliche Vergleiche u öffentliche Urkunden (Art 48 I EuUntVO) in Art 20 ff EuUntVO (an das HaagUntProt gebundene Herkunfts-MS) sowie Art 26 ff EuUntVO (nicht an das HaagUntProt gebundene Herkunfts-MS). Detailbestimmungen zur Ausführung enthalten §§ 30 ff AUG.
- Die EuErbVO regelt die Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen in Art 43 ff EuErbVO, für öffentliche Urkunden u gerichtliche Vergleiche gelten Art 60 f EuErbVO. Ausführungsbestimmungen enthalten §§ 3 ff IntErbRVG.
- Die Vollstreckung v Entscheidungen aus anderen teilnehmenden MS regeln Art 42 ff EuGüVO/EuPartVO, öffentliche Urkunden u gerichtliche Vergleiche unterliegen Art 59 f EuGüVO/EuPartVO. Ausführungsbestimmungen sind in §§ 4 ff IntGüRVG normiert.
EuVTVO u EuMVVO können für Unterhaltsentscheidungen Bedeutung erlangen (BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 9 f).
II. Autonomes Recht.
Rn 4
Der Anwendungsbereich des § 110 ist begrenzt u erfasst insb noch Entscheidungen aus den USA, Kanada, Südafrika, Asien u Osteuropa (Keidel/Zimmermann 19. Aufl Rz 5), sofern diese vollstreckbaren Inhalt haben (zB Unterhalts- u Umgangsentscheidungen).
B. Vollstreckbarerklärung.
I. Kein Exequatur.
Rn 5
Für die Vollstreckung nach §§ 86 ff wird gem I grds kein gesondertes förmliches Vollstreckbarerklärungsverfahren verlangt. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzung ist die Anerkennungsfähigkeit (§ 109), die inzident als Vorfrage zu klären ist, sofern kein fakultatives Anerkennungsverfahren nach § 108 II durchlaufen wurde. Sofern sie von der Anerkennung einer Ehesachen-Entscheidung abhängt, muss zuerst das Anerkennungsverfahren nach § 107 I stattfinden (MüKoFamFG/Rauscher Rz 8, 19). Eine Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden Verhältnisse ist wie bei Vollstreckung einer deutschen Entscheidung zu berücksichtigen (BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 19).
II. Vollstreckbarkeitsbeschluss.
Rn 6
Für gem § 95 I nach der ZPO zu vollstreckende Entscheidungen fordern II, III ein besonderes Exequatur-Verfahren. Dies erfasst – unter Berücksichtigung des Vorrangs völkerrechtlicher Vereinbarungen – grds ausl Unterhaltsentscheidungen (BGH FamRZ 15, 2043).
Rn 7
Die örtliche u sachliche Zuständigkeit für den Beschluss ist dem AG am allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners, hilfsweise dem AG am Vermögensgerichtsstand zugewiesen (III 1, entspr § 722 II ZPO). Wenn die entschiedene Sache nach deutschem Recht eine Familiensache wäre, ist auch die Vollstreckbarerklärung Familiensache (BGHZ 88, 113).
Rn 8
Das Vollstreckbarkeitsverfahren wird durch Antrag des Vollstreckungsgläubigers eingeleitet (nach wohl hM kein Anwaltszwang, vgl BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 23). Er kann nach hM mit einem Antrag auf Abänderung eines Unterhaltstitels (§ 238) verbunden oder als Eventual-Leistungsantrag für den Fall der Unmöglichkeit der Vollstreckbarerklärung gestellt werden; alternativ kann der Gläubiger den materiellen Anspruch durch Leistungskl...