I. Amtsermittlung in Ehesachen (Abs 1).
1. Allgemeine Grundsätze.
Rn 2
Die Pflicht zur Amtsermittlung ist im allgemeinen Teil des FamFG als Verfahrensmaxime normiert, § 26. Diese Vorschrift ist gem § 113 I 1 in Ehesachen zwar nicht anwendbar, erhält inhaltlich aber über den mit § 26 wortgleichen § 127 Abs 1 S 1 gleichwohl Geltung. Das Gericht ist an das tatsächliche Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden, sondern hat die entscheidungserheblichen Tatsachen vAw festzustellen (zB Sternal/Weber § 127 Rz 4; Prütting/Helms/Helms § 127 Rz 2). Die Ermittlungen des Gerichts müssen auch erforderlich sein. Die Grenze der Erforderlichkeit der Ermittlungen wird durch das das öffentliche Interesse an der materiellen Richtigkeit des Ergebnisses gezogen (MüKoFamFG/Lugani § 127 Rz 11; J/H/A/Markwardt § 127 Rz 3). Die Ermittlungen müssen alle Beweismöglichkeiten erschöpfen und enden, wenn sich das Gericht eine hinreichende Überzeugung gebildet hat (Musielak/Borth/Frank/Borth § 127 Rz 3). Der Amtsermittlungsgrundsatz dient nicht dazu, unschlüssige Anträge durch Ermittlungen vAw schlüssig zu machen (Prütting/Helms/Helms § 127 Rz 2; Musielak/Borth/Frank/Borth § 127 Rz 3; J/H/A/Markwardt § 127 Rz 4; MüKoFamFG/Lugani § 127 Rz 13).
Rn 3
Die Art der Beweiserhebung steht im Ermessen des Gerichts. Es darf auch solchen Informationen nachgehen und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen, die auf andere Weise als den Vortrag der beteiligten Eheleute in der Ehesache zur Kenntnis gelangt sind (zB anlässlich der Anhörung der Eheleute nach § 128, durch einen Bericht des Jugendamts oder aber Einsichtnahme in Belege, die zB im Zusammenhang mit dem Antrag auf Bewilligung von VKH oder einem weiteren Verfahren vorgelegt wurden). Auch die Hinweise eines anwaltlich nicht vertretenen Antragsgegners sind zu berücksichtigen (Prütting/Helms/Helms § 127 Rz 2). Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs gebietet es, solchen Tatsachen, die die Beteiligten nicht selbst vorgetragen haben, nur nachzugehen und/oder sie zu verwerten, nachdem sie hierzu Stellung nehmen konnten (zB Prütting/Helms/Helms § 127 Rz 2; Musielak/Borth/Frank/Borth § 127 Rz 4; MüKoFamFG/Lugani § 127 Rz 14). Die allgemeine Hinweispflicht des Gerichts nach § 113 I 2 iVm § 139 ZPO besteht auch in Verfahren mit Amtsermittlung. Das Gericht hat also auf sachdienliche Anträge hinzuwirken sowie zu einem Gesichtspunkt, den ein Beteiligter erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (Musielak/Borth/Frank/Borth § 127 Rz 4; FAKomm-FamR/Roßmann § 127 Rz 7).
Rn 4
Die Pflicht zur Amtsermittlung lässt die allgemeinen Grundsätze über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast unberührt (Musielak/Borth/Frank/Borth § 127 Rz 4). Der ASt trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen einer gültigen Ehe (Karlsr FamRZ 17, 95) und alle Tatsachen, ohne die der Richter die Überzeugung vom Gescheitertsein der Ehe nicht gewinnen kann (Staud/Rauscher § 1565 Rz 79). Vgl zur Härteklausel des § 1568 Abs 3. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Aufhebungsgrundes nach § 1314 BGB liegt bei demjenigen, der sich darauf beruft (Nürnbg FuR 11, 587).
Rn 5
Wird die Pflicht zur umfassenden Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts verletzt, liegt ein Verfahrensfehler vor, der mit der Beschwerde und der Rechtsbeschwerde gerügt werden kann (J/H/A/Markwardt § 127 Rz 5; Musielak/Borth/Frank/Borth § 127 Rz 3). Auch in der Beschwerdeinstanz besteht die Pflicht zur Amtsermittlung, § 68 III, wird aber durch § 117 II iVm § 528 ZPO (Ermittlung innerhalb der Grenzen des Beschwerdeantrags) eingeschränkt (BTDrs 16/6308, 224; Musielak/Borth/Borth/Grandel § 127 Rz 5; FAKomm-FamR/Roßmann § 127 Rz 11). Die Rechtsmittelinstanz ist als volle zweite Tatsacheninstanz ausgestaltet, weshalb neuer Tatsachenvortrag (uU mit nachteiliger Kostenfolge) nachgeschoben werden kann und weitere eigene Ermittlungen des Beschwerdegerichts erfordert. Unter den Voraussetzungen des § 117 II 1 iVm § 538 II 1 Nr 1 ZPO kann auch eine Aufhebung und Zurückverweisung geboten sein. Im Rechtsbeschwerdeverfahren zieht die Verletzung der Amtsermittlungspflicht die Aufhebung und Zurückverweisung der angefochtenen Entscheidung nach sich, § 74 VI 2.
2. Scheidungsverfahren.
Rn 6
Jede Ehescheidung setzt gem § 1564 BGB das Bestehen einer gültig geschlossenen Ehe voraus. Das Gericht hat festzustellen, ob und wann eine Ehe geschlossen wurde, was idR durch Vorlage der Heiratsurkunde nachgewiesen wird, vgl § 133 II. Die Vorlage ist aber kein Antragserfordernis, vielmehr kann sich das Gericht auf jede andere Weise Gewissheit über die wirksame Eheschließung verschaffen (Prütting/Helms/Helms § 127 Rz 6; J/H/A/Markwardt § 127 Rz 3; FAKomm-FamR/Roßmann § 127 Rz 4; Musielak/Borth/Frank/Borth § 127 Rz 3; Ddorf FamRZ 92, 1078; Karlsr FamRZ 91, 83). Problematisch kann diese Feststellung bei einer im Ausland geschlossenen Ehe sein. Das Gericht hat ausländisches Recht vAw zu ermitteln (BGH MDR 88, 123; Zweibr FamRZ 98, 1115: ausschließlich vor dem islamischen Geistliche...