Rn 4
Gem § 128 I soll (s.o. Rn 3) das Gericht die Ehegatten anhören. Durch die Anhörung soll der Sachverhalt näher aufgeklärt, die persönliche Sichtweise der Ehegatten in ihren höchstpersönlichen Angelegenheiten geäußert und dem Gericht ein persönlicher Eindruck von den Ehegatten, auch von ihrer Verfahrensfähigkeit, vermittelt werden (Sternal/Weber § 128 Rz 6; BGH FamRZ 16, 617; FamRZ 04, 1364; vgl aber zB Oldbg FuR 20, 716: Ehescheidung ohne Anhörung des Antragstellers nach dreijährigem Getrenntleben). Die Ehegatten sind nicht verpflichtet, iRd Anhörung Angaben zur Sache zu machen (Hambg MDR 97, 596; MüKoFamFG/Lugani § 128 Rz 11; ThoPu/Hüßtege § 128 Rz 4; FAKomm-FamR/Roßmann § 128 Rz 17). Die Äußerung der Ehegatten kann deshalb – anders als die Pflicht zum Erscheinen im Termin – nicht mit Ordnungsmitteln durchgesetzt werden.
Rn 5
Die Anhörung ist keine Beweisaufnahme, sondern erfolgt nach § 141 ZPO (Bahrenfuss/Blank vgl juris § 128 Rz 2). Sie ist von der Vernehmung der Ehegatten nach § 128 I 3 streng zu trennen (Prütting/Helms/Helms § 128 Rz 5). Die Anhörung ist nach allg Auffassung aber auch keine Verhandlung; deshalb kann die Äußerung der Ehegatten in der Anhörung weder als Antragstellung noch als Einlassung zur Sache (§ 113 I 2 iVm §§ 137, 269 I ZPO) verstanden werden (MüKoFamFG/Lugani § 128 Rz 12;ThoPu/Hüßtege § 128 Rz 2; BGH FamRZ 04, 1364). Das hat Auswirkungen auf die Frage, ob ein Scheidungsantrag nach Anhörung der Beteiligten ohne Zustimmung des Antragsgegners zurückgenommen werden kann. Das ist in jedem Fall zu bejahen, wenn vor der Anhörung – wie häufig – noch keine Erörterung in der Sache stattgefunden hat und auch noch kein Antrag gestellt worden ist. Der anwaltlich nicht vertretene Antragsgegner ist zudem daran gehindert, eigene Anträge in der Ehesache zu stellen oder zur Sache zu verhandeln (§ 114 I iVm IV Nr 3). Dieser hat erst dann verhandelt iSv § 269 I ZPO, wenn er entweder einen Antrag gestellt oder sich zur Hauptsache eingelassen hat. Seine im Rahmen der Anhörung erklärte Zustimmung zum Scheidungsantrag stellt kein Verhandeln dar (Oldbg FuR 14, 604) dar. Das führt dazu, dass der ASt seinen Scheidungsantrag ohne Zustimmung des (anwaltlich nicht vertretenen) Antragsgegners auch nach einer Anhörung der Eheleute noch bis zur Rechtskraft der Scheidung zurücknehmen kann (BGH FamRZ 04, 1364; Prütting/Helms/Helms § 128 Rz 7; MüKoFamFG/Lugani § 128 Rz 12; ThoPu/Hüßtege § 128 Rz 2).
Rn 6
Weil die Anhörung streng von einem Verhandeln und einer Vernehmung der Eheleute zu trennen ist, sollte sich eindeutig aus dem Protokoll ergeben, dass eine Anhörung erfolgt. Dies geschieht durch einen kurzen Beschluss. Der Inhalt der Angaben der Eheleute sollte protokolliert werden, § 113 I 2 iVm § 160 II ZPO (J/H/A/Markwardt § 128 Rz 4; Dutta/Jacoby/Schwab/Lies-Benachib § 128 Rz 15; Zö/Lorenz § 128 Rz 8).
Rn 7
Nimmt der ASt seinen Scheidungsantrag zurück, muss der Antragsgegner jedenfalls dann nicht erneut angehört werden, wenn das Scheitern der Ehe gem § 1566 II BGB unwiderlegbar vermutet wird und auch sonst keine weitere Aufklärung erforderlich ist (BGH FamRZ 16, 617).
Rn 8
Die Anhörung der Ehegatten erfolgt regelmäßig (vgl aber Abs 1 S 2) gemeinsam. Das ist schon im Hinblick auf das rechtliche Gehör des anderen Ehegatten erforderlich. Der Inhalt der Anhörung richtet sich nach dem Gegenstand des Verfahrens. In einem Eheaufhebungsverfahren wird der jeweils in Anspruch genommene Aufhebungstatbestand maßgebend sein. Nach § 127 II kann das Gericht in Scheidungssachen eheerhaltende Tatsachen ohne Beschränkung und ehefeindliche Tatsachen dagegen nur insoweit ermitteln, als sie vorgetragen sind. Es kommt darauf an, ob der Antrag auf § 1566 BGB gestützt ist (dann wird regelmäßig nach dem Trennungszeitpunkt und danach zu fragen sein, ob beide Ehegatten [Abs 1] oder der ASt [Abs 2] die Ehe für gescheitert hält bzw halten und geschieden werden möchte[n]). Ist einer der in § 1566 BGB genannten Tatbestände nicht einschlägig, muss das behauptete Scheitern der Ehe iSv § 1565 I BGB umfassend aufgeklärt werden und die Anhörung der Ehegatten wird sich aufwendiger gestalten. Gleiches gilt, wenn der Scheidungsantrag auf eine unzumutbare Härte iSv § 1565 II BGB gestützt wird.