I. Säumnis in der ersten Instanz.

1. Säumnis des Antragstellers (Abs 1).

 

Rn 3

Gegen den im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen ASt ist eine Versäumnisentscheidung in allen Ehesachen nur noch mit dem Inhalt möglich, dass der Antrag als zurückgenommen gilt bzw als zurückgenommen erklärt wird. Die Zurückweisung des Antrags (wie in § 330 ZPO vorgesehen) darf nicht ausgesprochen werden. Es spielt keine Rolle, ob der Antrag zulässig oder unzulässig war (Sternal/Weber § 130 Rz 4). Der Antrag des (anwaltlich vertretenen) Antragsgegners auf Erlass eines Säumnisbeschlusses beinhaltet zugleich seine ggf erforderliche Zustimmung zur Rücknahme des Scheidungsantrags iSv § 269 I ZPO (Sternal/Weber § 130 Rz 4; J/H/A/Markwardt § 130 Rz 3).

 

Rn 4

Wurde schon einmal mündlich verhandelt und ist der Sachverhalt hinreichend geklärt, kann der Antragsgegner gem § 113 I 2 iVm § 331a ZPO auch eine Entscheidung nach Aktenlage beantragen; dies ist schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht ausgeschlossen (vgl zB Prütting/Helms/Helms § 130 Rz 3; J/H/A/Markwardt § 130 Rz 3; Dutta/Jacoby/Schwab/Lies-Benachib § 130 Rz 5; Zö/Lorenz § 130 Rz 2; ThoPu/Hüßtege § 130 Rz 2; einschr Sternal/Weber § 130 Rz 4).

 

Rn 5

Hat der anwaltlich vertretene Antragsgegner einen eigenen Scheidungsantrag gestellt, kommt der Erlass einer Säumnisentscheidung gegen den ASt schon aufgrund der gebotenen Einheitlichkeit der Entscheidung nicht in Betracht (Prütting/Helms/Helms § 130 Rz 5; Sternal/Weber § 130 Rz 4; J/H/A/Markwardt § 130 Rz 2; Zö/Lorenz § 130 Rz 5; Musielak/Borth/Frank/Borth § 130 Rz 5). Es kommt eine einseitig streitige Verhandlung und Entscheidung in Betracht; hiervon sollte aber aufgrund der gebotenen Anhörung beider Ehegatten nur ausnahmsweise Gebrauch gemacht und eher eine Vertagung in Betracht gezogen werden.

 

Rn 6

Ergeht ein Säumnisbeschluss gegen den ASt, kann er hiergegen innerhalb der Notfrist von 2 Wochen ab Zustellung des Säumnisbeschlusses Einspruch einlegen, § 113 I 2 iVm §§ 338 ff ZPO. Tut er dies nicht, steht es ihm frei, einen erneuten Antrag zu stellen, dem nicht der Einwand doppelter Rechtshängigkeit entgegengehalten werden kann, da die Rechtshängigkeit seines als zurückgenommen zu behandelnden Antrags beendet wird. Die Bewilligung von VKH für einen weiteren Scheidungsantrag kann unter dem Gesichtspunkt der Mutwilligkeit, § 113 I 2 iVm § 114 II ZPO problematisch werden (vgl zB Karlsr FamRZ 99, 1669; FamRZ 98, 485; Hamm FamRZ 90, 1375; Köln FamRZ 88, 92).

2. Säumnis des Antragsgegners (Abs 2).

 

Rn 7

Der Antragsgegner einer Ehesache ist vor Erlass einer gegen ihn gerichteten Säumnisentscheidung geschützt. Da gem § 113 IV Nr 3 die Vorschriften über das schriftliche Vorverfahren nicht anwendbar sind, darf ein Säumnisbeschlusses auf der Grundlage von §§ 276 I 1, II, 331 III ZPO nicht ergehen. Erscheint der Antragsgegner unentschuldigt nicht im Termin, ordnet § 130 II ausdrücklich an, dass sowohl ein Säumnisbeschluss als auch eine Entscheidung nach Aktenlage unzulässig sind. Eine gegen den Antragsgegner gerichtete Säumnisentscheidung würde regelmäßig dem Antrag des ASt entsprechen und ausschließlich auf der Grundlage seines Vorbringens ergehen. Das ist weder mit dem Gebot vereinbar, in Ehesachen eine materiell richtige Entscheidung zu treffen noch mit dem in Art 6 I GG verankerten Schutz der Ehe. Das Erscheinen des Antragsgegners zum Termin kann mit Ordnungsmitteln erzwungen werden, § 128 IV. Erscheint er mehrmals nicht und wird auf seine Anhörung ausnahmsweise verzichtet, ergeht eine kontradiktorische Entscheidung, die mit der Beschwerde angefochten werden kann. Aus den genannten Gründen kommt auch eine Entscheidung nach Lage der Akten nicht infrage, Abs 2, Alt 2.

3. Säumnis beider Eheleute.

 

Rn 8

Erscheinen beide Eheleute nicht oder erscheint nur der anwaltlich nicht vertretene Antragsgegner, kommt gem § 130 II Alt 2 eine Entscheidung nach Aktenlage nicht in Betracht (aA ThoPu/Hüßtege § 130 Rz 6; Zö/Lorenz § 130 Rz 4). In diesem Fall kommt die Vertagung in Betracht; der hierfür erforderliche erhebliche Grund (§ 227 I 1 ZPO) kann in dem erhöhten Interesse an einer materiell richtigen Entscheidung gesehen werden (vgl MüKoFamFG/Lugani § 130 Rz 7). Alternativ kommt auch in Betracht, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, § 251a III ZPO (Prütting/Helms/Helms § 130 Rz 3; Dutta/Jacoby/Schwab/Lies-Benachib § 130 Rz 10; Sternal/Weber § 130 Rz 4: eher Ruhensanordnung, beiderseitiges Ausbleiben kann auf Versöhnung beruhen; MüKoFamFG/Lugani § 130 Rz 7: vorzugwürdig ist Vertagung).

II. Säumnis in der Beschwerdeinstanz.

1. Verhältnis von § 130 zu §§ 117 II 1 iVm § 539 ZPO.

 

Rn 9

Für das Beschwerdeverfahren gelten gem § 68 III 1 die Vorschriften des über das Verfahren im ersten Rechtszug weiter, sodass § 130 auch im Beschwerdeverfahren uneingeschränkt zu berücksichtigen ist. Auf der anderen Seite ordnet § 117 II 1 in Ehe- und Familienstreitsachen die Vorschrift des § 539 ZPO im Beschwerdeverfahren ausdrücklich an. Damit entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen § 130 einerseits und § 539 ZPO andererseits. Es ist zu differenzieren.

2. Der im Beschwerdeverfahren säumige Antragsteller.

 

Rn 10

Ist der säumige ASt Beschwerdeführer kann gegen ihn eine Säumnisentscheidung ergehen. Insoweit steht § 539 I ZPO im Einklang mit § 130 I. Ander...

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