Rn 14
Ob eine außergewöhnliche Verzögerung vorliegt, ist unter Berücksichtigung der üblichen Dauer eines Scheidungsverfahrens zu beurteilen; bei dieser generalisierenden Betrachtung ist nicht danach zu fragen, ob eine tatsächlich gegebene Verfahrensdauer auf das Verhalten der Ehegatten oder des Gerichts zurückzuführen ist (BGH FamRZ 86, 898; Ddorf FamRZ 85, 412). Der BGH sieht einen Zeitraum bis zu etwa 2 Jahren als gewöhnliche Dauer eines Verbundverfahrens an (FamRZ 91, 687; FamRZ 86, 898). Hinsichtlich der Zweijahresfrist hat diese Rspr unverändert Gültigkeit (Bambg FuR 18, 141; Stuttg FF 17, 78; Brandbg FamRZ 14, 323 Rz 20; Kobl FamRB 14, 414 Rz 23; vgl auch MüKoFamFG/Heiter § 140 Rz 52; FAKomm-FamR/Roßmann § 140 Rz 30; ThoPu/Hüßtege § 140 Rz 22; Zö/Lorenz § 140 Rz 8; Sternal/Weber § 140 Rz 10; aA Bork/Jacoby/Schwab/Löhnig (3. Aufl) § 140 Rz 23: nach unten zu korrigieren; Gerhards NJW 210, 1697, 1699: 1 Jahr; Naumbg FamRZ 02, 331: höchstens 1,5 Jahre; AG Bad Iburg FamRZ 11, 1084: 10–12 Monate). Es handelt sich dabei aber nur um einen Richtwert, im Einzelfall kann auch eine Verfahrensdauer von weniger als 2 Jahren außergewöhnlich lang sein (Stuttg FuR 16, 363; Prütting/Helms/Helms § 140 Rz 22). Aufgrund der generalisierenden Betrachtung ist die Zeit, in der das Verfahren ausgesetzt war oder ruhte, mit einzurechnen (BGH FamRZ 86, 898; Prütting/Helms/Helms § 140 Rz 21; MüKoFamFG/Heiter § 140 Rz 53).
Rn 15
Die Frist ist grds ab Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags zu berechnen. Haben beide Ehegatten einen Antrag gestellt, ist der Antrag des Ehegatten relevant, der sich auf die unzumutbare Härte beruft (Saarbr FamRZ 11, 1890; Schlesw MDR 04, 514; Stuttg MDR 98, 290; J/H/Markwardt § 140 Rz 10; Zö/Lorenz § 140 Rz 9; ThoPu/Hüßtege § 140 Rz 22). Wurde der Scheidungsantrag verfrüht eingereicht, ist gem Abs 4 S 1 der Zeitraum, um den der Antrag zu früh eingereicht wurde, nicht zu berücksichtigen. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Voraussetzungen für eine Härtescheidung iSv § 1565 II BGB vorgelegen haben, Abs 4 S 2.
Rn 16
Im Zeitpunkt der Entscheidung über den Abtrennungsantrag muss eine außergewöhnliche Verzögerung nach dem Wortlaut der Vorschrift (›verzögern würde‹) noch nicht vorliegen; vielmehr ist eine Prognose über die Verfahrensdauer anzustellen (MüKoFamFG/Heiter § 140 Rz 54; Prütting/Helms/Helms § 140 Rz 22; J/H/A/Markwardt § 140 Rz 10; Sternal/Weber § 140 Rz 10; Brandbg FuR 20, 597). Es ist zu berücksichtigen, welche Punkte noch klärungsbedürftig sind, ob sich eine (umfangreiche) Beweisaufnahme abzeichnet und in welchem Stadium sich ein Stufenverfahren befindet (Prütting/Helms/Helms § 140 Rz 22 mwN). Aktuell sind auch die aufgrund der Corona-Pandemie eingetretenen und noch eintretenden Verfahrensverzögerungen in die Abwägung einzubeziehen (Brandbg FuR 20, 597). Zu berücksichtigen ist auch die Dauer des Rechtsmittelverfahrens (BGH FamRZ 86, 898).