Rn 6
Nach Abs 1 S 2 ist auch für Rechtsanwälte, Notare, Behörden sowie deren Zusammenschlüsse die Abgabe von Anträgen und Erklärungen nach den bisher geltenden Vorschriften zulässig, wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Die Vorschrift erfasst damit bspw vorübergehende Ausfälle der EDV aufgrund von Stromausfällen, technischem Versagen aller Art und Angriffen von Hackern. Wo die Ursache der Störung liegt, ist für die Anwendung von Abs 1 S 2 unbeachtlich. Erfasst sind damit sowohl Störungen bei dem von Abs 1 S 1 erfassten Personenkreis als auch bei dem die Anträge und Erklärungen entgegennehmenden Gericht.
Rn 7
Dauern die Ausfälle längere Zeit – also zumindest über einige Wochen hinaus – an, so sind die von den Ausfällen Betroffenen verpflichtet, sich zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus Abs 1 S 1 eine funktionierende EDV-Anlage zu besorgen und diese in einer Weise zu betreiben, dass die von Abs 1 S 1 aufgestellten Anforderungen erfüllt sind. Da dies auch für die zur Entgegennahme der Anträge und Erklärungen zuständigen Gerichte gilt, kann sich die Justizverwaltung bei länger andauernden Störungen nicht darauf hinausreden, dass die Anschaffung funktionierender EDV-Anlagen aus haushaltstechnischen Gründen nicht oder erst nach einer gewissen Zeit möglich sei.
Rn 8
Nach Abs 1 S 3 ist die vorübergehende Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung von Anträgen und Erklärungen sogleich bei der Einreichung des Dokuments auf anderem Wege (sog ›Ersatzeinreichung‹), spätestens aber unverzüglich (dh, nach § 121 BGB ohne schuldhaftes Zögern, allerdings ohne gesonderte Prüfungs- und Überlegungszeit, falls der Rechtsanwalt Kenntnis davon erlangt, dass die Einreichung an einer technischen Störung gescheitert ist und er zu in der Folge genannten Schilderung in der Lage ist, BGH MDR 23, 862 f [BGH 26.01.2023 - V ZB 11/22]) nach der Ersatzeinreichung glaubhaft zu machen (§ 31 Abs 1). Dies ist mit einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände darzulegen, deren Richtigkeit der Einreicher unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichern muss (BGH MDR 22, 1426 ff). Dem Vortrag sollte das Störungsprotokoll oder der Reparaturbericht beigefügt werden; jedoch ist nach den vorgenannten Vorschriften auch eine eidesstattliche Versicherung denkbar (bspw der Kanzleiangestellten, die Beginn, Ende und Inhalt der Störung bestätigen). Für den von Abs 1 S 1 erfassten Personenkreis führt Abs 1 S 3 zu erhöhten Anforderungen an die Dokumentation auftretender Störungen. Protokolliert werden sollten Beginn, Ende und Inhalt der Störungen sowie mögliche Zeugen dafür; ferner sollten alle die Störung belegenden Dokumente aufbewahrt werden. Eine gerichtliche Hinweispflicht über das mögliche Heilungsverfahren besteht nicht (BAG MDR 22, 974 f [BAG 25.04.2022 - 3 AZB 2/22]), sodass die betroffenen Personen bei Störungen von sich aus tätig werden müssen.