I. Örtliche Zuständigkeit bei Anhängigkeit einer Ehesache (Abs 1).
Rn 7
Ist eine Ehesache zwischen Eltern minderjähriger Kinder anhängig, soll dieses Gericht auch mit Kindschaftssachen betreffend der gemeinsamen Kinder befasst sein. Die hiermit bezweckte Zuständigkeits- und Entscheidungskonzentration auf das Gericht der Ehesache ist im Verfahren in Familiensachen nach dem FamFG nicht auf die Verfahren in Kindschaftssachen beschränkt, sondern findet sich auch in den entsprechenden Zuständigkeitsvorschriften weiterer Verfahrensgegenstände, so in den §§ 201 Nr 1, 218 Nr 1, 232 I Nr 1, § 262 I, § 267 I oder auch in 270 I 2. Alle Verfahren einer Familie sollen bei einem Gericht zusammengefasst werden, um eine möglichst rationelle und sachgerechte Fallbearbeitung zu ermöglichen sowie widersprüchliche Entscheidungen zu verhindern (MüKoFamFG/Heilmann § 152 Rz 2; Musielak/Borth/Frank/Frank § 152 Rz 2; Bremen FamRZ 14, 1394). Die Zuständigkeitskonzentration führt nicht zwingend dazu, dass die Kindschaftssachen im Scheidungsverbund zu behandeln sind. Ob dies möglich ist, richtet sich ausschließlich nach § 137 III.
Rn 8
Die Anhängigkeit einer Ehesache beginnt gem § 124 S 1 mit der Einreichung eines Antrags auf Scheidung, Aufhebung oder Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe. Der Antrag auf Bewilligung von VKH für eine beabsichtigte Ehesache genügt nicht (zB MüKoFamFG/Lugani § 124 Rz 4). Die Anhängigkeit endet mit dem rechtskräftigen Abschluss der Ehesache auch dann, wenn abgetrennte weitere Folgesachen (zB VA) noch weiter anhängig sind (BGH FamRZ 82, 43 zu § 621 II 1 1 ZPO aF). Wird die Ehesache nur nicht weiter betrieben, ist sie gleichwohl noch anhängig (BGH NJW-RR 93, 898); dies gilt auch bei einer Aussetzung nach § 136. Die Anhängigkeit endet weiter gem § 113 I 2 iVm § 269 III 1 ZPO, § 141 mit Antragsrücknahme, übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Ehegatten, § 113 I 2 iVm § 91a ZPO oder dem Tod eines Ehegatten (§ 131). Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts der Ehesache besteht nach dem Wortlaut (›ist oder war‹) auch noch dann fort, wenn die Ehesache in höherer Instanz anhängig ist (zB FAKomm-FamR/Ziegler § 152 Rz 4; Musielak/Borth/Frank/Frank § 152 Rz 3). Demgegenüber ist nicht der Fall gemeint, dass der Antrag in einer Ehesache nach Einreichung, aber noch vor Zustellung zurückgenommen wird. Die Fortdauer der Zuständigkeit erfordert bei einer Veränderung der sie begründenden Umstände die Rechtshängigkeit des Antrags, vgl § 261 III Nr 2 ZPO (BGH MDR 81, 36). Wird die Ehesache bei dem örtlich unzuständigen Gericht anhängig gemacht und dort behandelt, steht dies der nach § 152 I angeordneten Zuständigkeitskonzentration nicht entgegen (Musielak/Borth/Borth/Grandel § 152 Rz 5).
Rn 9
Die örtliche Zuständigkeit nach § 152 I ist – vorbehaltlich der in Abs 4 enthaltenen Sonderregelung – eine ausschließliche. Das hat zur Folge, dass eine Abgabe an ein anderes Familiengericht nach § 4 ausgeschlossen ist (Bremen FamRZ 13, 1680; Zö/Lorenz § 152 Rz 1; Schulte-Bunert/Weinreich/Schöpflin § 4 Rz 10).
II. Gerichtsstand des gewöhnlichen Aufenthalts (Abs 2).
Rn 10
Ist eine Ehesache nicht anhängig, ist das örtlich zuständige Gericht nach § 152 II zu bestimmen. Maßgebend ist der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes im Unterschied zur vorherigen Regelung in § 621 II 2 ZPO aF, die auf den Wohnsitz des Kindes abstellte (vgl zB Zö/Philippi, ZPO, 27. Aufl, § 621 Rz 90).
Rn 11
Der gewöhnliche Aufenthalt eines Kindes ist unabhängig vom gewöhnlichen Aufenthalt des sorgeberechtigten Elternteils zu bestimmen. Im Unterschied zu einem einfachen oder schlichten Aufenthalt darf die Aufenthaltsdauer nicht gering oder vorübergehend sein (Hamm FamRZ 11, 395). Er ist dort, wo sich der Lebensmittelpunkt des Kindes befindet, also, wo es sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass es an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt, und wo der Schwerpunkt seiner persönlichen Bindungen liegt, wo also eine Integration des Kindes in ein soziales und familiäres Umfeld zu erkennen ist (BGH FamRZ 97, 1070; Köln FamRZ 12, 1406; KG FamRZ 14, 787; vgl zum gewöhnlichen Aufenthalt eines Säuglings EuGH FamRZ 11, 617). Das ist regelmäßig also bei dem Elternteil, in dessen Obhut es lebt und der die Betreuung übernimmt (FAKomm-FamR/Ziegler § 152 Rz 7; Musielak/Borth/Borth/Grandel § 152 Rz 6). Mit zunehmenden Alter des Kindes kommt es daneben aber auch auf seine eigene soziale Eingliederung, bspw in Kita und Schule, Sportvereine usw, an (Brandbg FamRZ 16, 2028; Prütting/Helms/Hammer § 152 Rz 16 mwN). Problematisch kann die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts bei Geschwisterkindern sein, die getrennt bei Mutter und Vater in unterschiedlichen Gerichtsbezirken leben, wenn die Eltern jeweils zB einen Sorgeantrag stellen. Der Gesetzgeber hat auf eine Regelung verzichtet und ausdrücklich auf die Möglichkeit der Abgabe des Verfahrens nach § 4 hingewiesen, wobei das Gericht des jüngsten Kindes letztlich zuständig sein sollte (vgl § 36 I 2 FGG aF). Im Falle eines Wechsels des Aufenthaltsorts wird ein gewöhnlicher Aufenthalt an dem neuen Ort g...