Rn 20
Liegen die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 1626a II 2 BGB vor, soll das Gericht ohne mündliche Erörterung entscheiden. Der Gesetzesentwurf sah zunächst eine zwingende Durchführung des vereinfachten Verfahrens bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1626a II 2 BGB vor. Die Ausgestaltung als Soll-Regelung geht auf eine Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zurück (BTDrs 17/12198, 5). Schon hier war aber vorgesehen, dass es im Regelfall bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1626a II 2 BGB bei einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren bleibt. Die Änderung soll es dem Familiengericht ermöglichen, in besonders gelagerten Ausnahmefällen (etwa wenn sich aus dem bisherigen Vorbringen der Mutter ergibt, dass ihr sprachliches Ausdrucksvermögen stark eingeschränkt ist) im normalen, aber vorrangig und beschleunigt durchzuführenden Verfahren nach § 155a Abs 4 zu entscheiden (BTDrs 17/12198, 8; Prütting/Helms/Hammer § 155a Rz 30; MüKoFamFG/Schumann § 155a Rz 23; Dutta/Jacoby/Schwab/Zorn § 155a Rz 8; vgl auch Musielak/Borth/Frank/Frank § 155a Rz 12).
Rn 21
Die in Abs 3 vorgesehene Entscheidung ohne mündliche Erörterung bedeutet nicht, dass sich die Tätigkeit des Familiengerichts auf das Abfassen der schriftlichen Entscheidung nach Vorliegen der Stellungnahme des Antragsgegners oder Ablauf der Stellungnahmefrist beschränkt. Vielmehr ist zu beachten, dass zwar die persönliche Anhörung der Eltern und die Einbindung des Jugendamts nicht vorgesehen sind. Damit ist aber eine Aussage zu der dem Gericht gem § 159 obliegenden persönlichen Anhörung des Kindes nicht getroffen. Das Gericht muss also ein Kind, das das 14. Lebensjahr vollendet hat, zwingend anhören, § 159 I. Jüngere Kinder sind unter den in § 159 II genannten Voraussetzungen ab dem 3. Lebensjahr anzuhören; hiervon kann nicht mit der Begründung abgesehen werden, dass den Kindern die abstrakte rechtliche Konstruktion der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht vermittelbar und von ihrer Anhörung deshalb kein Erkenntnisgewinn zu erwarten sei (BGH FuR 16, 576; aA noch Karlsr FamRZ 15, 2168; Brandbg FamRZ 16, 240; vgl auch Carl FamRZ 16, 244; MüKoFamFG/Schumann § 155a Rz 25).
Rn 22
Abs 3 schließt auch die Bestellung eines Verfahrensbeistands für das Kind gem § 158 nicht aus. Diese soll nach der Gesetzesbegründung zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes im vereinfachten Verfahren regelmäßig nicht erforderlich sein (§ 158 I), da die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge in diesem Verfahren nur in Betracht kommt, wenn dem Gericht keine Gründe bekannt sind, die der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können (BTDrs 17/11048, 23). Wird die Bestellung eines Verfahrensbeistands für erforderlich gehalten (was gem § 158 II Nr 1 in Betracht kommt, weil das Interesse des Kindes zu dem seines gesetzlichen Vertreters in erheblichem Gegensatz steht), wird eine Entscheidung im vereinfachten Verfahren regelmäßig ausscheiden (vgl auch MüKoFamFG/Schumann § 155a Rz 26; Prütting/Helms/Hammer § 155a Rz 32; Musielak/Borth/Frank/Frank § 155a Rz 10; Sternal/Schäder § 155a Rz 12; Heilmann NJW 13, 1473 [1476]; aA Keuter FamRZ 12, 825, 827).
Rn 23
Die Entscheidung erfolgt gem § 38 I durch Beschluss, der gem § 38 III zu begründen (vgl Prütting/Helms/Hammer § 155a Rz 33) und den Beteiligten nach §§ 41, 164 bekanntzugeben ist. Eine Bekanntgabe an das Jugendamt gem § 162 III 1 erfolgt nicht (§ 155a III 2); § 155a Abs 3 S 3 sieht demgegenüber (wie auch in § 1626d II BGB geregelt) vor, dass die Entscheidung dem gem § 87c VI 6 2 SGB VIII für die Führung des Sorgeregisters zuständigen Jugendamt formlos mitzuteilen ist. Die Mitteilung muss das Geburtsdatum, den Geburtsort sowie den Namen enthalten, den das Kind zur Zeit der Beurkundung seiner Geburt geführt hat. Zuständig ist das für den Geburtsort des Kindes oder des Jugendlichen zuständige Jugendamt; liegt der Geburtsort im Ausland oder ist er nicht zu ermitteln, so ist das Land Berlin zuständig, § 88 I 2 SGB VIII. Das Sorgeregister soll zum Zwecke der Erteilung eines Negativattests nach § 58 SGB VIII (bis zum 31.12.22: § 58a SGB VIII) darüber Auskunft geben, ob die Eltern möglicherweise Sorgeerklärungen abgegeben haben (§ 58 I 2 Nr 1 SGB VIII) oder ihnen die elterliche Sorge aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung ganz oder zT gemeinsam übertragen worden ist (§ 58 I 2 Nr 2 SGB VIII). Zudem wird in das Sorgeregister nach § 58 I 2 Nr 3 SGB VIII eingetragen, dass die elterliche Sorge aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung ganz oder zT der Mutter entzogen oder auf den Vater allein übertragen worden ist.
Liegen keine Eintragungen vor, erhält die mit dem Vater des Kindes nicht verheiratete Mutter gem § 58 II SGB VIII auf Antrag hierüber eine Bescheinigung von dem nach § 87c VI 2 SGB VIII zuständigen Jugendamt (›Negativattest‹).
Rn 24
Der Beschluss ist mit der Beschwerde anfechtbar; eine Abhilfemöglichkeit des Familiengerichts besteht gem § 68 I 2 nicht. Der Anregung des Bundesrats, dem Familieng...