Rn 9
Das Gesetz weist in Abs 2 S 1 ausdrücklich auf die Geltung des Vorrangs- und Beschleunigungsgebots nach § 155 I auch für die Verfahren nach § 1626a II BGB hin. Im vereinfachten Verfahren nach Abs 3 gilt § 155 II, III nicht, weil ein Erörterungstermin entbehrlich ist, wenn keine Gründe ersichtlich sind, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können (vgl dazu unten Rn 15 ff). Werden demgegenüber Gründe bekannt, die der Begründung der gemeinsamen Sorge entgegenstehen können, richtet sich das Verfahren ab diesem Zeitpunkt nach § 155 II, vgl Abs 4.
Rn 10
Das Gericht hat den Antrag dem anderen Elternteil förmlich zuzustellen, Abs 2 S 2. Das dem Gericht gem § 15 II 1 eingeräumte Ermessen wird eingeschränkt; die Bekanntgabe des Antrags durch Aufgabe zur Post ist nicht möglich. Hierdurch soll sich in den Fällen, in denen die beteiligten Eltern zusammenwohnen, die Gewähr erhöhen, dass der Antrag den anderen Elternteil tatsächlich erreicht (BTDrs 17/11048, 23). Die Zustellung erfolgt nach den §§ 166–195 ZPO; eine Ersatzzustellung nach § 178 II ist weder durch Übergabe des Antrags an den antragstellenden Elternteil noch durch Einlegung in den (gemeinsamen) Briefkasten möglich (§ 178 II ZPO analog, Nürnbg NJW-RR 04, 1517 [OLG Nürnberg 27.04.2004 - 7 WF 792/04]; Saarbr DGVZ 10, 83). Die Zustellung des Antrags erfolgt gem §§ 14 III, 21 FamGKG erst nach Einzahlung eines Gerichtskostenvorschusses oder der Bewilligung von VKH.
Rn 11
Mit der Zustellung an den Antragsgegner setzt das Gericht dem Antragsgegner gem Abs 2 S 2 eine Frist zur Stellungnahme, die für die Mutter frühestens 6 Wochen nach der Geburt des Kindes endet. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll die Mutter nicht unmittelbar nach der Geburt des Kindes zu einem Sorgeantrag des Vaters Stellung nehmen müssen (BTDrs 17/11048, 23). Bei einer Zustellung des Antrags an den Vater kann entspr der Einlassungsfristen im Zivilprozess (§§ 274 III 1, 276 I 1 ZPO) und im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot eine Stellungnahmefrist von 2 Wochen auseichend sein (Heilmann NJW 13, 1473, 1476). Eine Verlängerung ist nach den allgemeinen Vorschriften möglich (§ 16 II iVm § 224 II ZPO) und sollte gewährt werden, sofern die beantragte Verlängerung mit dem Beschleunigungsgebot vereinbar ist. Eine Entscheidung vor Ablauf der gesetzten Frist stellt einen schweren Verfahrensfehler dar (Jena NZFam 15, 521).
Rn 12
Das Gesetz sieht eine Belehrung des anderen Elternteils insb darüber, dass im vereinfachten Verfahren nach Abs 3 schriftlich entschieden werden kann, wenn eine Stellungnahme ausbleibt oder wenn keine Gründe vorgetragen werden, die einer gemeinsamen Sorge entgegenstehen können, nicht vor. Gleichwohl sollte eine solche Belehrung (möglichst in einfachen Worten) erwogen werden, um einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren allein aufgrund Nachlässigkeit des Antragsgegners entgegenzuwirken (vgl Prütting/Helms/Hammer § 155a Rz 20; MüKoFamFG/Schumann § 155a Rz 15 mwN; vgl aber die Stellungnahme der Bundesregierung, BTDrs 17/11048, 30, die ein entsprechendes Verständnis sowie Fähigkeiten des Antragsgegners unterstellt).
Rn 13
Nicht geklärt ist die Frage, ob innerhalb der Stellungnahmefrist, insb der Karenzfrist von 6 Wochen, die Übertragung der gemeinsamen Sorge im Wege eines einstweiligen Anordnungsverfahrens nach §§ 49 ff möglich ist oder dies durch das vereinfachte beschleunigte Verfahren ausgeschlossen wird. Der BR hatte in seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf auf die Möglichkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung gem §§ 49 ff hingewiesen (BTDrs 17/11048, 28). Teilw wird die Zulässigkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung bejaht, da es verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sei, den Vater gerade in der wichtigen Zeit nach der Geburt des Kindes von für das Kind zT existenziellen Entscheidungen auszuschließen, wie bspw bei Fragen der Gesundheit, des Aufenthalts, der Namensgebung oder der Religion (Heilmann/Fink § 155a Rz 19; Heilmann NJW 13, 1473, 1476). Teilw wird der Erlass einer einstweiligen Anordnung innerhalb der Schutzfrist des § 155a II 2 für unzulässig (Prütting/Helms/Hammer § 155a Rz 4; MüKoFamFG/Schumann § 155a Rz 32; Fink/Bitter ZKJ 12, 172, 173; Vogel FamRB 16, 110, 113) oder aber nur in kindeswohlrelevanten Extremfällen für zulässig gehalten (Dutta/Jacoby/Schwab/Zorn § 155a Rz 1; München FamRZ 16, 245).