1. Hinwirken auf Einvernehmen, S 1.
Rn 7
Invernehmen Gem Abs 1 S 1 soll das Gericht in jeder Lage des Verfahrens einer der genannten Kindschaftssachen auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinwirken, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht, also vor jeder gerichtlichen (Zwischen-)Entscheidung zunächst die Möglichkeiten einer konsensualen Lösung ausschöpfen. Das Gesetz macht keine Vorgaben, wie das Gericht in einem Erörterungstermin auf ein Einwirken hinwirken soll, sondern lässt dem Gericht einen Gestaltungsspielraum; das Gericht ist nicht auf die in den S 2–4 enthaltenen Vorgaben beschränkt. Regelmäßig wird die Anhörung aller Verfahrensbeteiligten und deren Sicht auf den Elternstreit einen Weg zur Beilegung des Konflikts aufzeigen oder aber deutlich machen, dass eine Lösungsmöglichkeit (noch) nicht besteht, sodass zunächst weitere Maßnahmen durch das Gericht ergriffen werden müssen.
Rn 8
Das Bemühen um eine einvernehmliche Regelung steht nicht im Ermessen des Gerichts; vielmehr ist das Gericht verpflichtet, dort auf die Beteiligten mit dem Ziel einer einverständlichen Konfliktregelung im Interesse des Kindes einzuwirken, wo eine Einigung nicht ausgeschlossen erscheint Dutta/Jacoby/Schwab/Zorn § 156 Rz 9).
Rn 9
Das Gesetz stellt klar, dass auch das Hinwirken auf Einvernehmen kein Selbstzweck ist, nicht zu einer Einigungspflicht der Beteiligten ausarten darf und demzufolge nicht unbegrenzt besteht. Das folgt bereits aus dem Beschleunigungsgebot nach § 155 I, das im Blick behalten werden muss. Der Forderung nach einvernehmlicher Regelung sind im Einzelfall Grenzen gesetzt. Der Gesetzgeber erkennt an, dass es Fälle gibt, in denen die Situation des Kindes im Elternkonflikt eine gerichtliche Entscheidung zwingend erfordert, weil das zu erzielende Einverständnis der Beteiligten dem Kindeswohl widerspricht, etwa bei häuslicher Gewalt (BTDrs 16/6308, 236; vgl auch Bahrenfuss/Schlemm § 156 Rz 2). Je schwerwiegender die Konflikte und ihre Auswirkungen auf das Kind sind und je mehr Kinderschutzaspekte zu berücksichtigen sind, desto mehr stehen der Schutz des Kindes und die Sachverhaltsaufklärung im Vordergrund (Prütting/Helms/Hammer § 156 Rz 18 mwN).
2. Hinweis auf Möglichkeiten der Beratung durch Beratungsstellen, S 2.
Rn 10
Nach S 2 soll das Gericht die Beteiligten auf die Möglichkeiten der außergerichtlichen Beratung durch die Beratungsstellen und -dienste der Träger der Kinder- und Jugendhilfe hinweisen, um ihnen eine eigenständige Konfliktregelung zu ermöglichen. Der Auftrag zur Konsensfindung wird also an die Eltern zurückgegeben. Vor der Anordnung einer Mediation nach S 3 wird auch der Hinweis auf die Teilnahme an einer Mediation in Betracht kommen, auch wenn S 1 durch das Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung (BGBl I 2012, 1577) ausdrücklich keine Erweiterung erfahren hat (vgl Prütting/Helms/Hammer § 156 Rz 20).
Rn 11
Die Hinweispflicht erstreckt sich insb auf folgende Beratungsangebote:
- die allgemeinen Erziehungsberatung gem § 16 II Nr 2 SGB VIII;
- die Partnerschaftsberatung nach § 17 I SGB VIII;
- die Beratung bei Trennung und Scheidung nach § 17 II SGB VIII, nach der Eltern Unterstützung bei der Entwicklung eines einvernehmlichen Konzepts für die Wahrnehmung der elterlichen Sorge haben, wobei das betroffene Kind angemessen zu beteiligen ist;
- nach § 18 I Nr 1 SGB VIII für Mütter und Väter, die allein für ein Kind oder einen Jugendlichen zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen, ua auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge;
- nach § 18 III SGB VIII haben Kinder und Jugendliche sowie Eltern, andere Umgangsberechtigte und Personen, in deren Obhut sich das Kind befindet, Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts;
- nach § 28 SGB VIII sollen Erziehungsberatungsstellen und andere Beratungsdienste und -einrichtungen Kinder, Jugendliche, Eltern und andere Erziehungsberechtigte (auch) bei Trennung und Scheidung unterstützen.
3. Anordnung der Teilnahme an einem Informationsgespräch über Mediation oder sonstiger außergerichtlicher Konfliktbeilegung, S 3.
Rn 12
Nach Abs 1 S 3 kann das Gericht anordnen, dass die Eltern einzeln oder gemeinsam an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über sonstige Möglichkeiten der außergerichtlichen Konfliktbeilegung bei einer von dem Gericht benannten Person oder Stelle teilnehmen und eine Bestätigung hierüber vorlegen. Die Vorschrift entspricht § 135 S 1. Es besteht keine Möglichkeit, die Eltern zu einer Teilnahme an einer Mediation selbst zu verpflichten (zB Hamm FamRZ 16, 1097); nach der in § 1 I Mediationsgesetz (v 21.7.12, BGBl I 2012, 1577) enthaltenen Legaldefinition ist die Mediation ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben. Die Eltern sind frei in ihrer Entscheidung, ob sie im Ergebnis des Gesprächs für sich eine Mediation anstreben möchten oder nicht. Allein die Möglichkeit, die Eltern auf die Möglichkeit der Mediation hinzuweisen, gibt dem Gericht noch nicht die Befugnis, das Umgangsrecht von der Durchführung einer Mediation abhängi...