Rn 16
Abs 3 verpflichtet das Gericht, unverzüglich nach der Einleitung des Verfahrens den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu prüfen. Die Gesetzesbegründung weist – in Übereinstimmung mit der Begründung zu § 50e IV FGG aF (BTDrs 16/6815, 17) – darauf hin, dass die die Regelung alle Verfahren betreffen soll, die wegen einer Gefährdung des Kindeswohls eingeleitet werden können, also zB auch in Verfahren, die auf eine Verbleibensanordnung nach § 1632 IV BGB gerichtet sind (BTDrs 16/6308, 238). Da aber der Anwendungsbereich des § 157 sowohl in Abs 1 als auch in Abs 3 – abweichend von § 50e I, IV FGG aF – ausdrücklich auf Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB beschränkt ist, scheint dies zu weitgehend zu sein (Sternal/Schäder § 157 Rz 15; ThoPu/Hüßtege § 157 Rz 8; Zö/Lorenz § 157 Rz 6; aA MüKoFamFG/Schumann § 157 Rz 14; Haußleiter/Eickelmann § 157 Rz 16; FAKomm-FamR/Ziegler § 157 Rz 9; J/H/A/Döll § 157 Rz 9). Letztlich ist dies ohne praktische Relevanz, denn die Verpflichtung nach Abs 3 ist deklaratorisch, weil sie sich bereits aus dem staatlichen Schutzauftrag ergibt (Prütting/Helms/Hammer § 157 Rz 30). Die Verpflichtung des Gerichts, den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu prüfen, besteht unabhängig von § 157 III auch in allen anderen Kindesschutzverfahren iSv § 1696 II BGB. Kommt zB ein Umgangsausschluss wegen Gefährdung des Kindeswohls in Betracht, ist § 156 III 1 einschlägig (Prütting/Helms/Hammer § 157 Rz 30; vgl auch Sternal/Schäder § 157 Rz 16).
Rn 17
Die Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts; Abs 3 verpflichtet nur zur Prüfung eines möglichen Erlasses. Das Gericht muss eine summarische Prüfung der materiellen Rechtslage vornehmen und hierbei insb die Verhältnismäßigkeit der anzuordnenden Maßnahme im Blick behalten. Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen richten sich nach den §§ 49 ff; insb muss ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Einschreiten bestehen. Hierbei ist die Nachrangigkeit einer Inobhutnahme nach § 42 I Nr 2 lit b SGB VIII im Blick zu behalten (Frankf FamRZ 19, 296; OVG Berlin-Brandenburg ZKJ 17, 241). Einem vorläufigen Sorgerechtsentzug steht nicht entgegen, dass es nicht möglich ist, noch vor der Eilentscheidung ein Sachverständigengutachten einzuholen. Entscheidend ist, ob die Gefährdungslage nach Ausmaß und Wahrscheinlichkeit aufgrund der vorhandenen Erkenntnisse bereits derart verdichtet ist, dass ein sofortiges Einschreiten auch ohne weitere gerichtliche Ermittlungen geboten ist (BVerfG FuR 18, 414; Brandbg NZFam 15, 1170). Hält das Gericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung für geboten, muss ein neues Verfahren eingeleitet werden, § 51 III 1. Den Beteiligten muss hierzu schon wegen der anfallenden weiteren Kosten rechtliches Gehör gewährt werden, was im Vermerk nach § 28 IV festgehalten werden sollte (Musielak/Borth/Borth/Grandel (6. Aufl) § 157 Rz 8).