Rn 17

Anders als in den folgenden Nr. 2–5 handelt es sich bei der hier umschriebenen Situation um einen gegenüber Abs 1 wenig konkretisierten weiteren Grundtatbestand (J/H/A/Döll § 158 aF Rz 8; Prütting/Helms/Hammer (5. Aufl) § 158 aF Rz 17). Die Regelung erfasst diejenigen Fälle, in denen das Gericht nach Prüfung feststellt, dass das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht. Es muss eine Interessenkollision gegeben sein, die nach § 1629 II 3, § 1789 II 4 BGB auch die Entziehung der Vertretungsmacht rechtfertigen könnte, weil der gesetzliche Vertreter nicht mehr geeignet ist, die Interessen des Kindes im Verfahren zu vertreten (vgl BTDrs 13/4899, 131 zu § 50 FGG aF; Prütting/Helms/Hammer § 158 Rz 38; MüKoFamFG/Schumann § 158 aF Rz 8; Brandbg FamRB 12, 343). Ausreichend ist, dass ein Interessengegensatz in Betracht kommt; er muss nicht schon vorliegen oder sicher vorhersehbar sein (BTDrs 13/4899, 131 zu § 50 FGG aF; J/H/A/Döll § 158 Rz 8; Prütting/Helms/Hammer § 158 Rz 38; München FuR 99, 232; Frankf FamRZ 1999, 1293, beide zu § 50 II Nr 1 FGG aF; aA Haußleiter/Eickelmann § 158 aF Rz 9). Ob allein die übereinstimmende Auffassung beider Eltern, dass kein Verfahrensbeistand zu bestellen sei, gegen das Vorliegen eines Interessenkonflikts spricht (KG FF 2012, 324 [KG Berlin 16.02.2012 - 17 UF 375/11]), scheint zumindest fraglich zu sein.

 

Rn 18

Das Gesetz bejaht die Erforderlichkeit der Bestellung, wenn das Interesse des Kindes zu dem ›seiner gesetzlichen Vertreter‹ in erheblichem Gegensatz steht; diese Formulierung legt nahe, dass es nicht auf einen zwischen den Eltern bestehenden Interessengegensatz ankommt, sondern eine ›Frontstellung‹ zwischen den Kindern einerseits und den Eltern andererseits erforderlich ist (BTDrs 13/4899, 131; MüKoFamFG/Schumann § 158 aF Rz 8; J/H/A/Döll § 158 aF Rz 8; Ddorf FamRZ 00, 1298 zu § 50 FGG aF). Gerade die Uneinigkeit zwischen den Eltern führt oftmals dazu, dass sie ihr Kind vollständig aus dem Blick verlieren, sodass eine eigenständige Interessenwahrnehmung erforderlich werden kann. Deshalb muss bei gemeinsamer elterlicher Sorge grds auch der Interessenkonflikt zu einem Elternteil ausreichend sein (Sternal/Schäder § 158 Rz 20; FAKomm-FamR/Ziegler § 158 aF Rz 8; ThoPu/Hüßtege § 158 Rz 12; Oldbg FuR 18, 370; Köln FamRZ 13, 46; Brandbg FamRB 12, 343).

 

Rn 19

Der Interessenkonflikt muss erheblich sein und in seiner Intensität den in Abs 2 aufgeführten weiteren Regelbeispielen entsprechen (Köln FuR 00, 298 zu § 50 FGG aF). Davon ist auszugehen, wenn es nach dem Sachverhalt naheliegt, dass die Eltern vornehmlich ihre eigenen Interessen durchsetzen wollen oder aufgrund der Intensität des Konflikts die Gefahr besteht, dass sie die Interessen des Kindes aus dem Blick verlieren (Prütting/Helms/Hammer § 158 Rz 38 mwN; Stößer FamRZ 09, 656, 661). Davon kann nicht schon allein deshalb ausgegangen werden, weil die Eltern des Kindes kontradiktorische Anträge stellen, wenngleich dies oftmals einen erheblichen Interessenkonflikt begründen wird (BTDrs 13/4899, 131 zu § 50 FGG aF; J/H/A/Döll § 158 aF Rz 8; Prütting/Helms/Hammer § 158 Rz 37; Sternal/Schäder § 158 Rz 20; Dutta/Jacoby/Schwab/Lack § 158 Rz 39; Saarbr NZFam 19, 924; OLGR 05, 111; Ddorf FamRZ 00, 1298; Köln FamRZ 13, 46; FuR 00, 298; Frankf FamRZ 99, 1293). Ein erheblicher Interessenkonflikt ist angenommen worden, wenn die Eltern völlig gegensätzliche Auffassungen zum künftigen Aufenthalt ihrer Kinder vertreten (Brandbg FamRB 12, 343; Köln FamRZ 13, 46). Im Verfahren über die Übertragung des gemeinsamen elterlichen Sorgerechts nach § 1626a BGB besteht regelmäßig ein erheblicher Interessengegensatz zwischen dem Kind und seiner alleinsorgeberechtigten Mutter (Hamm FuR 18, 606; Rostock FamRZ 14, 2020). Die Bestellung eines Verfahrensbeistands ist auch geboten, wenn ein Elternteil im Sorgerechtsverfahren wegen ständig wechselnder Aufenthalte und mangelnder Kooperationsbereitschaft oder -fähigkeit für das Gericht nicht greifbar ist und nicht am Verfahren mitwirkt (Oldbg FuR 18, 370).

 

Rn 20

Ob im Verfahren wegen Bestellung eines Ergänzungspflegers zur Entscheidung über ein Zeugnisverweigerungsrecht des Kindes im Ermittlungsverfahren gegen die Eltern (vgl § 52 II 2 StPO) ein Verfahrensbeistand zu bestellen ist (Kindschaftssache iSv § 151 Nr 5), wurde unterschiedlich beantwortet (bejahend Jena 13.1.14 – 1 WF 597/13, juris; Schlesw FuR 13, 290; aA [entbehrlich, da von entscheidender Bedeutung allein, ob der Wille und das Interesse des Kindes seiner Mitwirkung im Strafverfahren entgegenstehen, was durch den Ergänzungspfleger und nicht im Vorfeld durch den vom Familiengericht eingesetzten Verfahrensbeistand zu berücksichtigen ist]: Hambg FamRZ 13, 1683; Bremen FuR 17, 339; Prütting/Helms/Hammer (5. Aufl) § 158 aF Rz 16). Der BGH (FamRZ 20, 1197) hat sich der letztgenannten Auffassung angeschlossen und darauf hingewiesen, dass es in diesen Verfahren weder der Anhörung des Kindes noch der Bestellung eines...

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