Rn 34
IÜ steht die Gestaltung der Kindesanhörung im richterlichen Ermessen. Der ausdrückliche Hinweis in § 159 Abs 4 S 4 schien dem Gesetzgeber insb geboten, um einer Einflussnahme von Verfahrensbeteiligten auf die Gestaltung der Anhörung entgegenwirken zu können (BTDrs 16/6308, 240).
Rn 35
Die Entscheidung über die Teilnahme sonstiger Personen steht ausschließlich dem Gericht zu (BVerfG FamRZ 81, 124); es kann andere Personen hinzuziehen, zB im Einzelfall eine besondere Vertrauensperson des Kindes oder auch einen Sachverständigen (BVerfG FamRZ 81, 124). Insb haben weder die Eltern noch deren Verfahrensbevollmächtigte ein Recht zur Teilnahme an der Kindesanhörung (vgl hierzu BVerfG ZKJ 19, 361 [BVerfG 05.06.2019 - 1 BvR 675/19]). Bei der persönlichen Anhörung des Kindes handelt es sich nicht um eine Zeugenbefragung nach den Bestimmungen der ZPO, bei der die Parteien berechtigt sind, dem Zeugen bestimmte Fragen vorlegen zu lassen (KG ZKJ 14, 285).
Rn 36
Dem erkennenden Richter muss die Entscheidung darüber vorbehalten sein, welchen Weg er innerhalb der ihm vorgegebenen Verfahrensordnung für geeignet hält, um zu den für seine Entscheidung notwendigen Erkenntnissen zu gelangen. Das Ergebnis und der Erfolg einer persönlichen Anhörung des Kindes durch das Gericht hängt entscheidend davon ab, in welchem Maße der Richter die Fähigkeit zur Einfühlung in die besondere psychologische Situation des Kindes besitzt und ob es ihm gelingt, mit dem Kind ins Gespräch zu kommen (BVerfG FamRZ 81, 124; vgl auch BGH FuR 17, 23; 16, 576).
Rn 37
Der Richter muss also insb eine Entscheidung darüber treffen,
- ob die Kinder einmal oder mehrmals (vgl Bambg FamRZ 21, 704),
- Geschwister einzeln oder zusammen (vgl hierzu Schlesw MDR 15, 1304 [OLG Schleswig 22.09.2015 - 10 UF 105/15]: eine gemeinsame Anhörung von 4 Kindern in einem Alter von 5 bis zu 11 Jahren erscheint nicht geeignet, um zuverlässig bei jedem Kind einen beachtlichen ablehnenden Kindeswillen hinsichtlich von Umgangskontakten zu ermitteln),
- im Kinderanhörungszimmer, im Büro des Richters oder – gerade bei älteren Kindern – im Beratungsraum des Gerichts,
- am Sitzungstag oder einem gesonderten Termin
angehört werden (vgl BTDrs 16/6308, 240; Sternal/Schäder § 159 Rz 29).
Rn 38
Das Gericht soll eine positive und geschützte Gesprächssituation schaffen, die dem Kind ein offenes Artikulieren seiner Wünsche und Bedürfnisse ermöglicht (BTDrs 16/6308, 240). Die Technik der Anhörung richtet sich nach dem Alter der Kinder und ihrem Entwicklungsstand (Heilmann/Heilmann § 159 Rz 29). Wichtig ist es, dem Kind zu vermitteln, dass es mit seinen Äußerungen nicht zum ›Entscheider‹ wird (was ihm nicht selten von seinen Eltern ›mit auf den Weg gegeben wird‹, sondern die Entscheidung von seinen Eltern oder aber dem Gericht zu treffen ist [vgl auch Sternal/Schäder § 159 Rz 25; Prütting/Helms/Hammer § 159 Rz 37 mwN]). Auch kann eine Äußerung des Kindes nicht erzwungen werden; das Gericht muss akzeptieren, wenn das Kind sich nicht äußern möchte. Es genügt der Versuch einer Anhörung (Saarbr FF 11, 326 [OLG Saarbrücken 01.04.2011 - 6 UF 6/11]; KG MDR 12, 655 [KG Berlin 16.02.2012 - 17 UF 375/11]; FAKomm-FamR/Ziegler § 159 Rz 14; Prütting/Helms/Hammer § 159 Rz 38; MüKoFamFG/Schumann § 159 Rz 13 mwN). Insgesamt hat das Gericht die persönliche Anhörung ›unter Berücksichtigung des Alters des einzelnen Kindes, seines Entwicklungsstandes und vor allem seiner häufig durch die Auseinandersetzung zwischen den Eltern besonders angespannten seelischen Verfassung so zu gestalten‹, dass es ›möglichst zuverlässig die Grundlagen einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen kann (BVerfG FamRZ 81, 124; BGH FuR 17, 23; 16, 576; KG ZKJ 14, 285).
Rn 39
Eine anschauliche Übersicht über den möglichen Ablauf einer Kindesanhörung findet sich bei Heilmann/Heilmann § 159 Rz 37.