I. Anwendungsbereich.
Rn 4
Die Vorschrift gilt in allen Kindschaftssachen nach § 151 Nr 1–5 und Nr 8, unabhängig davon, ob der Richter oder der Rechtspfleger zuständig ist. In Verfahren, die die freiheitsentziehende Unterbringung eines Kindes betreffen (§ 151 Nr 6 und 7) enthält § 167 I 1 iVm § 320 S 1 und § 167 IV eine abschließende Sonderregelung (Prütting/Helms/Hammer § 160 Rz 4; MüKoFamFG/Schumann § 160 Rz 3; FAKomm-FamR/Ziegler § 160 Rz 3; vgl zB für Umgangsverfahren nach § 1685 I BGB Kobl ZKJ 21, 65). Im vereinfachten Verfahren nach § 155a III ist die Vorschrift nicht anzuwenden, § 155a III 1. Für ein Verfahren betreffend die Anordnung des Ruhens der elterlichen Sorge nach § 1674 BGB sind die Anhörungsvorschriften nach §§ 159 ff zwingend zu beachten (Frankf FamRZ 15, 1521; Brandbg FamRZ 09, 237). Gleiches gilt im einstweiligen Anordnungsverfahren (vgl MüKoFamFG/Schumann § 160 Rz 3; Prütting/Helms/Hammer § 160 Rz 5), wenngleich bei Gefahr im Verzug vor Erlass einer einstweiligen Anordnung vorläufig abgesehen werden kann (vgl Abs 4). Auch im Verfahren zur Ersetzung der Zustimmung eines Elternteils in die Einbenennung eines Kindes nach § 1618 S 4 BGB ist vor der Entscheidung grds auch der betroffene Elternteil persönlich anzuhören (vgl BGH ZFJ 00, 476; Bambg FamRZ 00, 691; Oldbg FamRZ 00, 693; Saarbr FamRZ 09, 1334: persönliche Anhörung auch des sorgeberechtigten Elternteils und der weiteren Beteiligten). Im familiengerichtlichen Genehmigungsverfahren nach § 2 I NamÄndG für einen nachfolgenden Antrag auf Namensänderung besteht gem § 2 II NamÄndG nur eine beschränkte Anhörungspflicht; die §§ 159, 160 FamFG finden hier keine Anwendung.
Rn 5
Die Anhörung der Eltern hat grds auch im Beschwerdeverfahren zu erfolgen, § 68 III 1. Die (wiederholte) persönliche Anhörung der Eltern kann nach § 68 III 2 ausnahmsweise unterbleiben, wenn weder neue entscheidungserhebliche Tatsachen vorgetragen werden noch eine Änderung der rechtlichen Bewertung oder der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten ist, die erstinstanzliche Anhörung noch nicht längere Zeit zurückliegt (und das Ergebnis der Anhörung hinreichend dokumentiert worden ist) und auch nicht sonstige Gründe eine Anhörung durch das Beschwerdegericht gebieten, wozu insb eine Erweiterung des Verfahrensgegenstands gehört (zB Prütting/Helms/Hammer § 160 Rz 20; Bork/Jacoby/Schwab/Zorn (3. Aufl) § 160 Rz 6; Heilmann/Heilmann § 160 Rz 19; BayObLG FamRZ 85, 100; Hamm FamFR 12, 93). In den in § 68 V genannten Fällen ist die Anhörung im Beschwerdeverfahren zwingend.
Rn 6
Im Vollstreckungsverfahren nach §§ 88 ff ist eine Anhörung der Eltern nach § 160 nicht erforderlich (vgl MüKoFamFG/Schumann § 159 Rz 7; Prütting/Helms/Hammer § 160 Rz 5; Heilmann/Heilmann § 160 Rz 5; aA FAKomm-FamR/Ziegler § 160 Rz 3).
II. Anhörung der Eltern in Verfahren betreffend die Person ihres Kindes (Abs 1).
1. Grundsätzliche Anhörung in Verfahren betreffend die Person des Kindes, Abs 1 S 1.
Rn 7
Gem § 160 I 1 soll das Gericht in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, auch die Eltern persönlich anhören; auf die Sorgeberechtigung kommt es hierbei nicht an (zB Musielak/Borth/Frank/Frank § 160 Rz 3). Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, sind alle in § 151 FamFG aufgeführten Kindschaftssachen, die die Lebensführung und die Lebensstellung des Kindes und nicht ausschließlich die Vermögenssorge für das Kind betreffen (Prütting/Helms/Hammer § 160 Rz 6; MüKoFamFG/Schumann § 160 Rz 5; FAKomm-FamR/Ziegler § 160 Rz 4; Sternal/Schäder § 160 Rz 5; Heilmann/Heilmann § 160 Rz 22).
Rn 8
Der Begriff ›soll‹ ersetzt ›in der Regel‹ in § 50a I 2 FGG aF und ist nicht so auszulegen, dass das Familiengericht nach freiem Ermessen von einer Anhörung absehen kann. Vielmehr darf das Gericht von einer Anhörung der Eltern nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen absehen (BTDrs 16/6308, 240; Prütting/Helms/Hammer § 160 Rz 7; MüKoFamFG/Schumann § 160 Rz 5; Hamm FamRZ 89, 203; Celle ZKJ 11, 431: ›in eng begrenztem Umfang auch verzichtbar‹). Dabei müssen ›besonders gelagerte Ausnahmefälle‹ nicht zwingend mit >schwerwiegenden Gründen’ iSv Abs 3 deckungsgleich sein (anders wohl Keidel/Engelhardt (20. Aufl) § 160 Rz 3: nur aus schwerwiegenden Gründen; ebenso Naumbg 2.9.11 – 8 UF 187/11, juris; Frankf FamRZ 15, 1521; Kobl FamRZ 16, 475). Offen ist jedoch, welche Fälle (die nicht schon von Abs 3 erfasst sind) der Gesetzgeber hier vor Augen hatte (MüKoFamFG/Schumann § 160 Rz 5). Ein solcher Ausnahmefall kann gegeben sein, wenn das Gericht sich für unzuständig hält (Keidel/Engelhardt (20. Aufl) § 160 Rz 3); wenn sich ein (mit dem anderen gemeinsam sorgeberechtigter) Elternteil in einem klar und einfach gelagerten Fall Umgang des Kindes mit seiner Großmutter, den beide Eltern ablehnen) bereits schriftlich geäußert hat, in dem Anhörungstermin anwaltlich vertreten war und anschließend über seinen Verfahrensbevollmächtigten ausdrücklich noch einmal seine unveränderte Position bestätigt (Celle ZKJ 11, 431; Prütting/Helms/Hammer § 160 Rz 7).
2. Zwingende Anhörung in Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB, Abs 1 S 2.
Rn 9
Die Vorschrift entspricht § 50a I 3 FGG aF. In Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls sind die Eltern zwingend persönlich anzuhören (vgl aber BayObLG FamRZ 87, 87). Diese...