Rn 12
Das Gesetz erlaubt das Absehen von der Abhörung der Eltern bei Vorliegen eines schweren Grundes oder aber ein vorläufiges Absehen bei Gefahr im Verzug. Insofern ist die Vorschrift mit § 159 III vergleichbar.
1. Bei Vorliegen eines schwerwiegenden Grundes (Abs 3).
Rn 13
Nach Abs 3 darf von einer Anhörung bei Vorliegen eines schwerwiegenden Grundes abgesehen werden. Die Vorschrift ermöglicht ein Absehen mithin nicht nur von einer nach Abs 1 S 1 gebotenen Anhörung, sondern auch von der (zwingenden) Anhörung auch in einem Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB (Prütting/Helms/Hammer § 160 Rz 17; FAKomm-FamR/Ziegler § 160 Rz 8; Sternal/Schäder § 160 Rz 19; Dutta/Jacoby/Schwab/Lack § 160 Rz 22; Heilmann/Wegener § 160 Rz 26; diff MüKoFamFG/Schumann § 160 Rz 8). Das Interesse an einer eingehenden Sachaufklärung ist gegen das Interesse des Anzuhörenden abzuwägen, von der Anhörung freigestellt zu werden (Sternal/Schäder § 160 Rz 19). Je mehr Gewicht der Anhörung der Eltern angesichts der in Abs 1 und 2 enthaltenen (gestuften) Regelung beigemessen wird, desto gravierender müssen die Gründe sein, die ein Absehen von der Anhörung rechtfertigen (Sternal/Schäder § 160 Rz 19; Prütting/Helms/Hammer § 160 Rz 17; Dutta/Jacoby/Schwab/Lack § 160 Rz 23).
Rn 14
Schwerwiegende Gründe, die im Einzelfall ein Absehen von der Anhörung der Eltern rechtfertigen können, sind insb solche, die sich bereits aus § 34 II ergeben, nämlich die Gefahr erheblicher Nachteile für die Gesundheit (Krankheit oder Gebrechlichkeit, zB Sternal/Schäder § 160 Rz 20; Prütting/Helms/Hammer § 160 Rz 18; Heilmann/Heilmann § 160 Rz 26; FAKomm-FamR/Ziegler § 160 Rz 9; MüKoFamFG/Schumann § 160 Rz 9) oder aber die Unfähigkeit eines Elternteils, seinen Willen kundzutun. Es kommen aber auch weitere, in der Person der Eltern liegende Gründe in Betracht, so zB Unerreichbarkeit während nicht absehbarer Dauer eines Aufenthalts im entfernten Ausland (Naumbg FGPrax 01, 240; 27.9.11 – 8 UF 165/11, juris; Karlsr FamRZ 17, 41; vgl aber Frankf FamRZ 17, 244: Ist in einem Sorgerechts- und Vormundschaftsverfahren betreffend einen vermeintlich unbegleiteten minderjährigen Flüchtling die im Ausland befindliche Wohnanschrift seiner Eltern bekannt, sind diese in einem Verfahren wegen Ruhens der elterlichen Sorge nach § 1674 BGB am Verfahren zu beteiligen und nach Maßgabe von § 160 FamFG anzuhören). Im Rahmen der Amtsermittlungspflicht ist es Aufgabe des Gerichts, die Anschrift der Eltern zu ermitteln, um eine Anhörung gem § 160 zu ermöglichen (Frankf FamRZ 15, 1996); erst wenn der Aufenthalt nicht zu ermitteln ist, kann von der Anhörung abgesehen werden (BayObLG NJW-RR 00, 1452; Naumbg, FamRZ 10, 1351; 27.9.11 – 8 UF 165/11, juris).
Rn 15
Das unentschuldigte Fernbleiben eines Elternteils zu einem anberaumten Gerichtstermin ist kein schwerwiegender Grund (Frankf OLGR 07, 168; Bremen FuR 15, 419; einschr Nürnbg NZFam 16, 1205: keine Anhörung, wenn der ausgebliebene Elternteil zuvor auf die Folgen seines Ausbleibens in der Ladungsverfügung nach § 34 III hingewiesen worden ist).
2. Gefahr im Verzug (Abs 4).
Rn 16
Die Anhörung der Eltern muss – wie auch die Anhörung des Kindes – grds vor Erlass der das Verfahren abschließenden Entscheidung erfolgen. Nach Abs 4 kann bei Gefahr im Verzug ausnahmsweise eine Entscheidung auch vor der erforderlichen Anhörung der Eltern ergehen. Gefahr im Verzug liegt dann vor, wenn durch die aufgrund der persönlichen Anhörung zu erwartende Verzögerung der gerichtlichen Entscheidung ein erheblicher Nachteil für das Kind oder einen anderen Beteiligten entstehen könnte (MüKoFamFG/Schumann § 160 Rz 10; FAKomm-FamR/Ziegler § 160 Rz 14). Ein derartig eiliges Regelungsbedürfnis wird in einstweiligen Anordnungsverfahren in Betracht kommen, und auch dort nur in besonders dringlichen Situationen, wie bspw unaufschiebbaren ärztlichen Behandlungen (aber Naumbg FamRZ 13, 66: eine Aufmerksamkeitsstörung in Gestalt des ADS/ADHS-Syndroms ist keine augenblicklich behandlungsbedürftige Krankheit) oder aber der Gefahr, dass das Kind ins Ausland verbracht werden soll (vgl MüKoFamFG/Schumann § 160 Rz 10; Prütting/Helms/Hammer § 160 Rz 21).
Rn 17
Unterbleibt die Anhörung der Eltern vor Erlass der Entscheidung, ist sie unverzüglich nachzuholen; das gilt auch dann, wenn die Eltern oder aber ihr Verfahrensbevollmächtigter vorab fernmündlich angehört worden sind, da die persönliche Anhörung hierdurch nicht ersetzt wird (BayObLG FamRZ 1985, 100; FAKomm-FamR/Ziegler § 160 Rz 14). Es bedarf hierfür keines Antrags durch einen Verfahrensbeteiligten. Rechtfertigt das Ergebnis der nachträglichen Anhörung der Eltern die erlassene einstweilige Anordnung nicht mehr, ist sie (auch in Verfahren, die nur auf Antrag eingeleitet werden) vAw zu ändern, § 54 I 3 (BTDrs 16/6308, 201 f; Prütting/Helms/Hammer § 54 Rz 4; Prütting/Helms/Hammer § 160 Rz 22). Wurde die einstweilige Anordnung ausnahmsweise aufgrund mündlicher Erörterung mit den anderen Verfahrensbevollmächtigten erlassen und wird die Entscheidung gem § 57 S 2 durch die Eltern angefochten, ist ihre Anhörung durch das Beschwerdegeric...