1. Gewährung rechtlichen Gehörs.
Rn 28
Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Entscheidungsgrundlage setzt gem § 37 II voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat (BGH FuR 13, 712; 16, 46; 17, 495, alle zur Verwertbarkeit des in einem Betreuungsverfahren eingeholten Gutachtens). Den Beteiligten muss gem § 30 I iVm § 411 IV 2 ZPO ausreichend Zeit gegeben werden, sich mit den Ausführungen des Gutachters vertraut zu machen und hierauf zu reagieren (vgl § 411 ZPO Rn 28). Ein Verstoß hiergegen ist ein Verfahrensfehler (BGH FuR 13, 712; 16, 46; 17, 495). Zur Klärung von Rückfragen kann uU eine mündliche Anhörung des Sachverständigen zur Erläuterung des Gutachtens geboten sein, § 30 I iVm § 411 III 1 ZPO. Dem Antrag eines Beteiligten auf mündliche Anhörung des Sachverständigen ist regelmäßig nachzukommen, er ist vom Anspruch auf rechtliches Gehör mit erfasst (Staud/Coester § 1671 Rz 305).
2. Fachliche Qualität des Gutachtens.
Rn 29
Das Gericht ist bei seiner Entscheidung an das Ergebnis des Sachverständigen nicht gebunden, vielmehr ist es seine Aufgabe, das Sachverständigengutachten kritisch zu würdigen. Dabei muss das Gericht prüfen, ob das Gutachten zu den im Beweisbeschluss vorgegebenen Fragen Stellung nimmt, den wissenschaftlichen Standards entspricht, logisch und methodisch überzeugend ist und hinsichtlich der Ergebnisse schlüssig ist (vgl hierzu insb: Arbeitsgruppe Familienrechtliche Gutachten 2015: ›Mindestanforderungen an die Qualität von Gutachten‹ FamRZ 15, 2025, 2027 f; MüKoFamFG/Schumann § 163 Rz 20; Heilmann/Heilmann § 163 Rz 57; Splitt FF 18, 51, 55; Herrler NZFam 15, 597; Hamm FamRZ 16, 1940 m Anm Salzgeber FamRZ 16, 1944). Das Gutachten muss so gefasst sein, dass dem Gericht eine solche Überprüfung des Gutachtens ermöglicht wird (zu § 280 – BGH FamRZ 12, 104; BVerfG FamRZ 15, 112: ›verlässliche Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung‹).
Rn 30
Auch wenn Zweifel an der fachlichen Qualität des Gutachtens bestehen, steht dies der Verwertbarkeit einzelner Aussagen daraus nicht entgegen, soweit die Entscheidung die Mängel thematisiert, die fachliche Qualifikation des Sachverständigen näher klärt und nachvollziehbar darlegt, inwiefern Aussagen aus dem Gutachten gleichwohl verwertbar sind und zur Entscheidungsfindung beitragen können (BVerfG FamRZ 17, 1055; 15, 112; MüKoFamFG/Schumann § 163 Rz 25). Selbst bei völliger Unverwertbarkeit einer sachverständigen Begutachtung kann das Gericht ohne ein weiteres Gutachten entscheiden, wenn es in der Lage ist, zB das Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung auch ohne Einbeziehung der sachverständigen Aussagen hinreichend nachvollziehbar darzustellen (BVerfG FamRZ 17, 1055; 15, 112). Ist dies dem Gericht aber nicht möglich, muss ein neues Gutachten eingeholt werden, § 30 I iVm § 412 I ZPO (BGH FuR 10, 406). Das Einholen eines zweiten Gutachtens ist eine mit der Beschleunigungsrüge nicht überprüfbare Sachentscheidung des entscheidenden Gerichts (KG ZKJ 17, 193 [KG Berlin 31.01.2017 - 13 WF 12/17]).
3. Befangenheit des Sachverständigen.
Rn 31
Ein Gutachter kann gem § 30 I iVm § 406 I 1 ZPO wegen Befangenheit von jedem Verfahrensbeteiligten aus denselben Gründen, die zur Befangenheit eines Richters führen können, abgelehnt werden (Stuttg FamRZ 18, 455; Brandbg 7.2.17 – 13 WF 27/17, juris).
Rn 32
Über die Ablehnung ist vorab durch Zwischenbeschluss zu entscheiden; anderenfalls kann das Gutachten nicht verwertet werden (Saarbr FamRZ 14, 411). Hat ein betroffener Beteiligter keinen Ablehnungsantrag gestellt, kann eine mögliche Befangenheit gleichwohl für den Beweiswert des Gutachtens eine Rolle spielen (BGH FuR 17, 23). Ein Beschluss, durch den die Ablehnung eines Sachverständigen für begründet erklärt worden ist, kann vom Gegner nicht mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden. Das gilt auch dann, wenn die Rechtsbeschwerde in der betreffenden Entscheidung zugelassen worden ist (BGH FuR 15, 714).
Rn 33
Eine Befangenheit kann insb dann angenommen werden, wenn der Sachverständige seine Befugnisse überschreitet, etwa wenn er selbstständig Beweise würdigt und nicht vorgegebene Anknüpfungstatsachen zugrunde legt oder bei Ermittlungen nur eine Partei hinzuzieht (BGH FuR 17, 23). Gleiches gilt, wenn er seinen Gutachterauftrag überschreitet (Jena FamRZ 08, 284), wobei maßgeblich ist, ob der Sachverständige sich aus der Sicht der Partei gewissermaßen an die Stelle des Gerichts setzt und hierdurch seine Neutralitätspflicht verletzt (Ddorf FamRZ 17, 915). Die fehlende Bereitschaft eines Sachverständigen, relevante Darlegungen eines Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu würdigen, kann den Anschein mangelnder Unvoreingenommenheit begründen (Brandbg FamRZ 20, 1662). Erkundigt sich ein Sachverständiger nach dem Scheitern der bei einem Dritten vereinbarten Elterngespräche dort nach dem Grund des Scheiterns, begründet dies dann nicht seine Befangenheit, wenn die Eltern die Beratungsstelle wechselseitig von der Schweigepflicht entbunden haben (Celle 28.1.20 – 10 WF 186/19, juris).
Allein die Fehlerhaftigkeit eines Gutachtens ohne ...