Gesetzestext
(1) Das Gericht ändert eine Entscheidung oder einen gerichtlich gebilligten Vergleich nach Maßgabe des § 1696 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
(2) Eine länger dauernde kindesschutzrechtliche Maßnahme, die von Amts wegen geändert werden kann, hat das Gericht in angemessenen Zeitabständen zu überprüfen.
(3) Sieht das Gericht von einer Maßnahme nach den §§ 1666 bis 1667 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ab, soll es seine Entscheidung in einem angemessenen Zeitabstand, in der Regel nach drei Monaten, überprüfen.
A. Allgemeines.
Rn 1
§ 166 ist die verfahrensrechtliche Ergänzung der Vorschrift des § 1696 BGB, die die materiell-rechtliche Eingriffsbefugnis zur Änderung von sorge- und umgangsrechtlichen Entscheidungen des Familiengerichts sowie zur Änderung gerichtlich gebilligter Vergleiche (§ 156 II) enthält. Die Regelung ist eine Spezialvorschrift zu § 48 I für den Bereich der Kindschaftssachen (BTDrs 16/6308, 242). Abs 1 enthält die verfahrensrechtliche Pflicht und Befugnis (BTDrs 16/6308, 242) zur Durchführung eines Abänderungsverfahrens, das am materiell-rechtlichen Maßstab des § 1696 I BGB auszurichten ist. Abs 2 wurde aufgrund des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendlichenstärkungsgesetz – KJSG, BGBl 2021 I, 1444) v 3.6.21 mWz 10.6.21 im Hinblick auf die zugleich erfolgte Einfügung von § 1696 III BGB klarstellend ergänzt. Die Regelung verpflichtet das Gericht zur regelmäßigen Überprüfung von amtswegig abänderbaren kinderschutzrechtlicher Maßnahmen darauf, ob vAw ein Abänderungsverfahren nach Abs 1 einzuleiten ist. Umgekehrt verpflichtet die Regelung des Abs 3 das Gericht auch zur Überprüfung seiner Entscheidung, von einer Maßnahme nach §§ 1666 ff BGB abzusehen. Hierdurch soll verhindert werden, dass es wider Erwarten nicht gelungen ist, die Gefährdung für das Kind abzuwenden, und das Gericht hiervon nichts erfährt (BTDrs 16/6308, 243).
B. Die Vorschrift im Einzelnen.
I. Das Abänderungs- und Überprüfungsverfahren.
1. Abänderungsverfahren nach Abs 1.
Rn 2
Das Abänderungsverfahren nach Abs 1 ist ein selbstständiges Verfahren, sodass die örtliche Zuständigkeit nach § 152 unabhängig vom Ausgangsverfahren neu zu bestimmen ist und hiervon abweichen kann (BGH FamRZ 93, 49; 90, 1224). Zuständig zur Abänderung auch einer in höherer Instanz ergangenen Entscheidung ist das AG (BeckOKBGB/Veit § 1696 Rz 51; Staud/Coester § 1696 BGB Rz 133).
Rn 3
Im Abänderungsverfahren hat eine umfassende Kindeswohlprüfung zu erfolgen. Es gilt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26). Eine Feststellungslast gibt es nicht (Heilmann/Heilmann § 166 Rz 13; Staud/Coester § 1696 Rz 138). Die erforderlichen Anhörungen nach §§ 159 ff (insb des Kindes, der Eltern, des Jugendamts) müssen im Abänderungsverfahren erfolgen. Es ist die (erneute) Bestellung eines Verfahrensbeistands nach § 158 zu prüfen. Zu beachten ist das Beschleunigungsgebot und die Regelung zum ›frühen ersten Termin‹ nach § 155 I, II. Das Gericht hat ebenso wie im Ausgangsverfahren auf eine einvernehmliche Lösung hinzuwirken, § 156, und kann das Abänderungsverfahren ggf durch einen gerichtlich gebilligten Vergleich (§ 156 II) beenden (MüKoFamFG/Heilmann § 166 Rz 16; Bork/Jacoby/Schwab/Zorn (3. Aufl) § 166 Rz 5; Staud/Coester § 1696 Rz 137; BeckOKBGB/Veit § 1696 Rz 53).
Rn 4
Das Abänderungsverfahren wird, sofern keine einvernehmliche Regelung erzielt werden kann, durch eine Endentscheidung nach § 38 I beendet. Besteht kein Abänderungsbedürfnis, sind Anträge – wie in Umgangsverfahren nach § 1684 BGB – nicht zurückzuweisen, da das Verfahren auch vAw eingeleitet werden kann; sondern im Tenor ist ggf festzustellen, dass der frühere Beschluss aufrechterhalten wird bzw keine Veranlassung zu einer Abänderung besteht (Prütting/Helms/Hammer § 166 Rz 13; MüKoFamFG/Heilmann § 166 Rz 17; Heilmann/Heilmann § 166 Rz 13 f; Bartels FuR 19, 77, 83; Socha JAmt 17, 522, 525; Frankf FamRZ 13, 1238).
2. Überprüfungsverfahren nach Abs 2, 3.
Rn 5
Auch das Überprüfungsverfahren nach Abs 2 und 3 ist ein nicht förmliches selbstständiges Verfahren (Prütting/Helms/Hammer § 166 Rz 17; MüKoFamFG/Heilmann § 166 Rz 21 f; FAKomm-FamR/Ziegler § 166 Rz 8; Bork/Jacoby/Schwab/Zorn (3. Aufl) § 166 Rz 5; BeckOKBGB/Veit § 1696 BGB Rz 51; Staud/Coester § 1666 Rz 294; KG ZKJ 23, 380; Brandbg FamRZ 18, 1595; 18, 368: ›nicht förmliches informelles Verfahren eigener Art‹; Frankf FamRZ 16, 929; Karlsr FamRZ 15, 1903; Bartels FuR 19, 77, 79; aA (Fortsetzung des Ausgangsverfahrens): Heilmann/Heilmann § 166 Rz 17; Musielak/Borth/Borth/Grandel (6. Aufl) § 166 Rz 4; Socha JAmt 17, 522, 523).
Rn 6
Die funktionelle Zuständigkeit im Überprüfungsverfahren korrespondiert mit derjenigen für die Maßnahme im Ausgangsverfahren. Die Pflicht zur Überprüfung obliegt dem Familiengericht, und zwar auch dann, wenn die Maßnahme erstmals vom Beschwerdegericht erlassen wurde (MüKoFamFG/Heilmann § 166 Rz 21).
Rn 7
Die Überprüfung erfolgt in der Akte, in der die zu überprüfende Maßnahme erlassen worden ist (Prütting/Helms/Hammer § 166 Rz 17; MüKoFamFG/Heilmann § 166 Rz 21; Socha JAmt 17, 522, 523). Es ist weder ein neues gerichtliches Az zu vergeben noch stellt das die Einleitung eines neuen Verfahrens dar (K...