I. Das Abänderungs- und Überprüfungsverfahren.
1. Abänderungsverfahren nach Abs 1.
Rn 2
Das Abänderungsverfahren nach Abs 1 ist ein selbstständiges Verfahren, sodass die örtliche Zuständigkeit nach § 152 unabhängig vom Ausgangsverfahren neu zu bestimmen ist und hiervon abweichen kann (BGH FamRZ 93, 49; 90, 1224). Zuständig zur Abänderung auch einer in höherer Instanz ergangenen Entscheidung ist das AG (BeckOKBGB/Veit § 1696 Rz 51; Staud/Coester § 1696 BGB Rz 133).
Rn 3
Im Abänderungsverfahren hat eine umfassende Kindeswohlprüfung zu erfolgen. Es gilt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26). Eine Feststellungslast gibt es nicht (Heilmann/Heilmann § 166 Rz 13; Staud/Coester § 1696 Rz 138). Die erforderlichen Anhörungen nach §§ 159 ff (insb des Kindes, der Eltern, des Jugendamts) müssen im Abänderungsverfahren erfolgen. Es ist die (erneute) Bestellung eines Verfahrensbeistands nach § 158 zu prüfen. Zu beachten ist das Beschleunigungsgebot und die Regelung zum ›frühen ersten Termin‹ nach § 155 I, II. Das Gericht hat ebenso wie im Ausgangsverfahren auf eine einvernehmliche Lösung hinzuwirken, § 156, und kann das Abänderungsverfahren ggf durch einen gerichtlich gebilligten Vergleich (§ 156 II) beenden (MüKoFamFG/Heilmann § 166 Rz 16; Bork/Jacoby/Schwab/Zorn (3. Aufl) § 166 Rz 5; Staud/Coester § 1696 Rz 137; BeckOKBGB/Veit § 1696 Rz 53).
Rn 4
Das Abänderungsverfahren wird, sofern keine einvernehmliche Regelung erzielt werden kann, durch eine Endentscheidung nach § 38 I beendet. Besteht kein Abänderungsbedürfnis, sind Anträge – wie in Umgangsverfahren nach § 1684 BGB – nicht zurückzuweisen, da das Verfahren auch vAw eingeleitet werden kann; sondern im Tenor ist ggf festzustellen, dass der frühere Beschluss aufrechterhalten wird bzw keine Veranlassung zu einer Abänderung besteht (Prütting/Helms/Hammer § 166 Rz 13; MüKoFamFG/Heilmann § 166 Rz 17; Heilmann/Heilmann § 166 Rz 13 f; Bartels FuR 19, 77, 83; Socha JAmt 17, 522, 525; Frankf FamRZ 13, 1238).
2. Überprüfungsverfahren nach Abs 2, 3.
Rn 5
Auch das Überprüfungsverfahren nach Abs 2 und 3 ist ein nicht förmliches selbstständiges Verfahren (Prütting/Helms/Hammer § 166 Rz 17; MüKoFamFG/Heilmann § 166 Rz 21 f; FAKomm-FamR/Ziegler § 166 Rz 8; Bork/Jacoby/Schwab/Zorn (3. Aufl) § 166 Rz 5; BeckOKBGB/Veit § 1696 BGB Rz 51; Staud/Coester § 1666 Rz 294; KG ZKJ 23, 380; Brandbg FamRZ 18, 1595; 18, 368: ›nicht förmliches informelles Verfahren eigener Art‹; Frankf FamRZ 16, 929; Karlsr FamRZ 15, 1903; Bartels FuR 19, 77, 79; aA (Fortsetzung des Ausgangsverfahrens): Heilmann/Heilmann § 166 Rz 17; Musielak/Borth/Borth/Grandel (6. Aufl) § 166 Rz 4; Socha JAmt 17, 522, 523).
Rn 6
Die funktionelle Zuständigkeit im Überprüfungsverfahren korrespondiert mit derjenigen für die Maßnahme im Ausgangsverfahren. Die Pflicht zur Überprüfung obliegt dem Familiengericht, und zwar auch dann, wenn die Maßnahme erstmals vom Beschwerdegericht erlassen wurde (MüKoFamFG/Heilmann § 166 Rz 21).
Rn 7
Die Überprüfung erfolgt in der Akte, in der die zu überprüfende Maßnahme erlassen worden ist (Prütting/Helms/Hammer § 166 Rz 17; MüKoFamFG/Heilmann § 166 Rz 21; Socha JAmt 17, 522, 523). Es ist weder ein neues gerichtliches Az zu vergeben noch stellt das die Einleitung eines neuen Verfahrens dar (KG ZKJ 23, 380 [KG Berlin 06.04.2023 - 16 UF 34/23]).
Praktisch muss eine Wiedervorlage auch in ›erledigten‹ Verfahren erfolgen und von der Geschäftsstelle überwacht werden (Staud/Coester § 1696 Rz 125).
Rn 8
Es gilt auch hier der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26). Eine Feststellungslast der Eltern für eine positive Veränderung der Umstände besteht nicht; vielmehr haben die staatlichen Organe nicht nur den Eingriff, sondern auch dessen Fortbestand zu begründen (Staud/Coester § 1696 Rz 138; BeckOKBGB/Veit § 1696 Rz 56; vgl auch (für Umgangsausschluss BVerfG FamRZ 16, 1917; Brandbg FamRZ 18, 1159; aA Frankf FamRZ 13, 1238 Rz 12). Die nähere Ausgestaltung des Verfahrens steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (Karlsr FamRZ 15, 1903) und ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Wenngleich das Überprüfungsverfahren ein selbstständiges Verfahren ist, reicht es regelmäßig aus, einen aktuellen Bericht des zuständigen Jugendamts einzuholen (Prütting/Helms/Hammer § 166 Rz 17a; MüKoFamFG/Heilmann § 166 Rz 22; FAKomm-FamR/Ziegler § 166 Rz 4; Bahrenfuss/Schlemm § 166 Rz 4). Ist dieser wenig aussagekräftig, kommen auch ergänzende Anfragen, zB bei den Eltern, in Betracht.
Rn 9
Führt die Überprüfung zu dem Ergebnis, dass eine Kindeswohlgefährdung nicht mehr gegeben oder aber die getroffene Maßnahme nicht mehr erforderlich ist, muss das Gericht vAw ein Abänderungsverfahren nach Abs 1 einleiten und die Maßnahme aufheben. § 1696 II BGB räumt den Gerichten insoweit kein Ermessen ein. Es besteht auch keine zusätzliche Änderungsschwelle wie in § 1696 I BGB (BVerfG FamRZ 16, 1917).
Rn 10
Kommt das Gericht jedoch zu dem Ergebnis, dass eine Änderung der Ausgangsentscheidung nicht angezeigt ist, ist hierüber ein entsprechender Aktenvermerk anzufertigen, der das Ergebnis der Überprüfung festhält (Prütting/Helms/Hammer § 166 Rz 18; MüKoFamFG/Heilmann § 166 Rz 23; ...