Rn 30
In besonders eilbedürftigen Krisensituationen ist die vorläufige Unterbringung im Wege der einstweiligen Anordnung möglich. Gem § 51 III gelten für das einstweilige Anordnungsverfahren die für das Verfahren in der Hauptsache anzuwendenden Vorschriften. § 167 I 1 verweist insoweit auf die §§ 331 ff. Gem § 313 II ist für den Erlass einer einstweiligen Anordnung neben dem nach § 313 I zuständigen Gericht auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis für die Unterbringungsmaßnahme bekannt wird. Handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Unterbringung, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach § 313 III. Das für den Erlass einer einstweiligen Anordnung stets erforderliche Regelungsbedürfnis ist in § 331 S 1 Nr 1 als lex specialis zu § 49 geregelt: Es müssen dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Genehmigung oder Anordnung einer Unterbringungsmaßnahme gegeben sein und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht (Frankf FamRZ 17, 44). Gem § 331 S 1 Nr 2 ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass ein ärztliches Zeugnis über den Zustand des betroffenen Minderjährigen vorliegt; angesichts der Intensität des Eingriffs sind an dieses Zeugnis ähnliche Anforderungen zu stellen wie an ein Gutachten; es muss auf einer persönlichen Untersuchung des betroffenen Minderjährigen beruhen, auch wenn das Gesetz dies nicht ausdr verlangt (Prütting/Helms/Roth § 331 Rz 9). Geht es um eine zivilrechtliche Unterbringung, kann das Attest auch von einem in der Heimerziehung ausgewiesenen Psychotherapeuten, Psychologen, Pädagogen oder Sozialpädagogen erstellt werden, § 167 VI 2 (Staud/Salgo § 1631b Rz 43; Prütting/Helms/Hammer § 167 Rz 69a). Der unbekannte Aufenthalt des Kindes rechtfertigt nicht den Verzicht auf die Einholung eines ärztlichen Attests; dieses muss dann zunächst aufgrund vorhandener Unterlagen und Befundberichte erstellt werden (Prütting/Helms/Hammer § 167 Rz 71; aA Naumbg JAmt 13, 48). Auch im einstweiligen Anordnungsverfahren sind die im Hauptsacheverfahren geltenden Anhörungspflichten zu beachten: Gem § 331 S 1 Nr 4 ist der betroffene Minderjährige anzuhören, wobei nach § 331 S 2 ausnw – abw von § 319 IV – auch eine Anhörung im Wege der Rechtshilfe zulässig ist. Dem Minderjährigen ist ein Verfahrensbeistand zu bestellen, § 331 S 1 Nr 3. Anzuhören sind auch die gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen, insb die personensorgeberechtigten Eltern (§§ 51III 1, 167 I 1, 320 S 1, § 315 I iVm § 167 IV [MüKoBGB/Huber § 1631b Rz 20; Prütting/Helms/Hammer § 167 Rz 74; Naumbg FamRZ 10, 1919; 19.7.12 – 3 UF 149/12 [EAO], juris; aA Celle FamRZ 10, 1167: nicht im Katalog des anzuwendenden § 331 enthalten]), grds gem § 320 S 1 auch die Kann-Beteiligten iSv § 315 IV sowie das auf Antrag beteiligte Jugendamt, das ansonsten nach § 320 S 2 anzuhören ist. Gem § 332 S 1 kann ausnw bei Gefahr im Verzug eine einstweilige Anordnung vor Anhörung des betroffenen Minderjährigen und Bestellung eines Verfahrensbeistands erlassen werden. Diese Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen. Die Vorschrift des § 332 nennt ausdr nicht die sonstigen Beteiligten, insb nicht die gesetzlichen Vertreter und das Jugendamt. Letzteres muss gem § 320 S 2 nicht zwingend angehört werden, sodass erst recht im einstweiligen Anordnungsverfahren zunächst eine Entscheidung ergehen kann. Bei Gefahr im Verzug kann auch von einer Anhörung der gesetzlichen Vertreter zunächst abgesehen werden; sie ist unverzüglich nachzuholen (Prütting/Helms/Hammer § 167 Rz 77; Naumbg [1. Senat] 19.7.12 – 3 UF 149/12 [EAO], juris; aA Naumbg [2. Senat] FamRZ 10, 1919; 10, 1351).
Rn 31
Gem § 333 I 1 darf die einstweilige Anordnung die Dauer von 6 Wochen nicht überschreiten. Reicht dieser Zeitraum nicht aus, kann sie nach Maßgabe von § 333 S 2–4 verlängert werden. Nach § 333 I 2 ist vor der Verlängerung der einstweiligen Anordnung die Anhörung eines Sachverständigen erforderlich. Gem § 333 I 3 ist auch eine mehrfache Verlängerung möglich; die Gesamtdauer von 3 Monaten darf nicht überschritten werden.
Rn 32
Der Beschluss ist gem § 57 S 2 mit der Beschwerde nach §§ 58 ff anfechtbar (die ausdrückliche Regelung wurde aufgrund des Gesetzes zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften v 5.12.12 [BGBI I, 2418] nachträglich eingefügt; der frühere Meinungsstreit hat sich damit erledigt). Zu beachten ist die auf 2 Wochen verkürzte Beschwerdefrist nach § 63 II Nr 1.