I. Anwendungsbereich.
Rn 2
Gem § 1631e I BGB ist nunmehr klargestellt, dass die Personensorge der Eltern nicht das Recht umfasst, in eine Behandlung eines nicht einwilligungsfähigen Kindes mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung einzuwilligen oder selbst diese Behandlung durchzuführen, die allein in der Absicht erfolgt, das körperliche Erscheinungsbild des Kindes an das des männlichen oder des weiblichen Geschlechts anzugleichen, ohne dass ein weiterer Grund für die Behandlung hinzutritt. Gem § 1631e II 1 können die Eltern in operative Eingriffe an den inneren oder äußeren Geschlechtsmerkmalen des nicht einwilligungsfähigen Kindes mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung, die eine Angleichung des körperlichen Erscheinungsbilds des Kindes an das des männlichen oder des weiblichen Geschlechts zur Folge haben könnten und für die nicht bereits nach Abs 1 die Einwilligungsbefugnis fehlt, nur einwilligen, wenn der Eingriff nicht bis zu einer selbstbestimmten Entscheidung des Kindes aufgeschoben werden kann. Diese Einwilligung bedarf gem § 1361e III 1 BGB der Genehmigung des Familiengerichts, es sei denn, der operative Eingriff ist zur Abwehr einer Gefahr für das Leben oder für die Gesundheit des Kindes erforderlich und kann nicht bis zur Erteilung der Genehmigung aufgeschoben werden. Die Genehmigung ist gem § Abs. 3 S 2 zu erteilen, wenn der geplante Eingriff dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Legen die Eltern dem Familiengericht eine den Eingriff befürwortende Stellungnahme einer interdisziplinären Kommission iSv Abs 4 und 5 vor, wird vermutet, dass der geplante Eingriff dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Rn 3
Wird die erforderliche Genehmigung weder eingeholt noch erteilt, bleibt der Eingriff verboten. Wird er dennoch vorgenommen, ist er dann ebenso als Körperverletzung rechtswidrig wie ein gezielter geschlechtsangleichender Eingriff iSd Abs 1 (BTDrs 19/24686).
II. Das Verfahren.
Rn 4
Bei dem Verfahren nach § 167b handelt es sich um eine Kindschaftssache iSv § 151 Nr 1; eine Neufassung zB von § 151 Nr 6 ist nicht erfolgt.
1. Verfahrenseinleitung.
Rn 5
Das Verfahren wird nur auf Antrag betrieben, vgl § 1631e III 2 BGB; eine Einleitung vAw ist nicht vorgesehen (ausdr Dutta/Jacoby/Schwab/Ivanits § 167b Rz 8; Erman/Döll § 1631e Rz 17). Der antragstellende Elternteil muss die Personensorge für das betroffene Kind innehaben, zumindest aber die Gesundheitssorge innehaben (Dutta//Jacoby/Schwab/Ivanits § 167b Rz 6).
2. Örtliche und funktionelle Zuständigkeit.
Rn 6
Die örtliche Zuständigkeit richtet sich, sofern nicht von der Verordnungsermächtigung nach Abs 3 Gebrauch gemacht wird, nach § 152 f. Gem § 3 Nr 2a RpflG sind alle Kindschaftssachen dem Rechtspfleger zugeordnet, der Richter hat nur in denjenigen Fällen zu entscheiden, die ihm durch Gesetz ausdrücklich vorbehalten sind. Der Gesetzgeber hat nunmehr den in § 14 RPflG geregelten Richtervorbehalt ausdrücklich auf die Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung oder einer freiheitsentziehenden Maßnahme nach § 1631b BGB (insoweit klarstellend) und die Genehmigung einer Einwilligung nach § 1631e III BGB erstreckt, § 14 I Nr 6 RPflG (vgl BTDrs 19/24686, 36).
3. Vereinfachtes schriftliches Verfahren, Abs. 1.
Rn 7
Legen die Eltern mit dem Antrag auf Genehmigung eine den Eingriff befürwortende Stellungnahme einer interdisziplinären Kommission vor, die den Voraussetzungen des § 1631e IV, V BGB entspricht, muss das Gericht prüfen, ob diese Stellungnahme dem Wohl des Kindes am besten entspricht und auch keine weiteren entgegenstehenden Gründe ersichtlich sind. Dabei wird gem § 1631e III 3 BGB vermutet, dass der geplante Eingriff dem Wohl des Kindes am besten entspricht. In diesem Fall erteilt das Gericht die Genehmigung im schriftlichen Verfahren. Ziel der Regelung ist es, dass über den Antrag möglichst zügig und ohne weitere zusätzliche Belastungen für die Eltern und das Kind entschieden wird (BTDrs 19/24686, 35). Die Entscheidung soll in diesem Fall ohne Anhörung des Jugendamts und auch ohne persönliche Anhörung der Eltern ergehen; ausgeschlossen ist die Anhörung also auch bei dieser Konstellation nicht. Für die Anhörung des Kindes gilt § 159. Ein Verfahrensbeistand für das Kind soll zur Beschleunigung entbehrlich sein, wenn das Gericht die befürwortende Stellungnahme der Kommission seiner Entscheidung zugrunde legen kann. Auch wenn § 1361a V BGB konkrete Anforderungen an den Inhalt der Stellungnahme vorgibt, wird Probleme bereiten, ob das Gericht im Einzelfall die Anforderungen zu Recht bejaht und im vereinfachten Verfahren entschieden hat.
4. Reguläres Verfahren, Abs. 2.
Rn 8
Legen die Eltern keine befürwortende Stellungnahme iSv § 1361e Abs 4 und 5 vor oder reicht dem Gericht die Stellungnahme der Kommission nicht aus, etwa, weil die Stellungnahme widersprüchlich oder lückenhaft ist oder Anhaltspunkte dafür bestehen, dass nicht hinreichend abgewogen ist, soll das Gericht iR seiner Amtsermittlungspflicht die Sache mit den Beteiligten in einem Termin erörtern. Das bedeutet, dass die Beteiligten auch persönlich angehört werden. In diesem Fall wird dem Kind ein Verfahrensbeistand gem § 158 I 1 bzw III Nr 1 zu bestellen sein.
Rn 9
Reic...