I. Anwendungsbereich.
Rn 2
Der Anwendungsbereich des § 168 betrifft die Auswahl und Überprüfung des Vormunds. Dabei ist unerheblich, ob es sich um die erstmalige Auswahl eines Vormunds handelt, oder ob nach Entlassung oder Tod eines Vormunds gem § 1805 I BGB ein neuer Vormund zu bestellen ist (ebenso Prütting/Helms/Hammer § 168 Rz 4; Sternal/Schäder § 168 Rz 4; Dutta/Jacoby/Schwab/Ivanits § 168 Rz 5). Für das Entlassungsverfahren selbst ist § 168c anzuwenden, der die Anhörung nahestehender Familienangehöriger des Mündels vor Entscheidungen in wichtigen Angelegenheiten regelt. Gem § 168f S 1 sind die für die Vormundschaft geltenden Vorschriften auf die Pflegschaft für Minderjährige entspr anzuwenden.
Rn 3
§ 168 I ist nur anzuwenden, wenn ein Vormund zu bestellen ist, also einer der in § 1773 BGB geregelten Fälle vorliegt. Danach ist Vormundschaft für einen Minderjährigen anzuordnen und ein Vormund zu bestellen, wenn der Minderjährige nicht unter elterlicher Sorge steht (§ 1773 I Nr 1). Das ist insb dann der Fall, wenn den gemeinsam sorgeberechtigten Eltern bzw dem alleinsorgeberechtigten Elternteil die elterliche Sorge gem § 1666 BGB insgesamt entzogen wurde oder diese insgesamt ruht, § 1675 BGB. Gem § 1773 I Nr 2 BGB ist Vormundschaft anzuordnen, wenn die Eltern des Minderjährigen nicht berechtigt sind, ihn in den seine Person und sein Vermögen betreffenden Angelegenheiten zu vertreten. Das ist der Fall, wenn den Eltern die Vertretungsbefugnis nach § 1666 BGB entzogen worden ist oder gem § 1673 II 2 BGB ruht. Gem § 1773 I Nr 3 BGB ist schließlich Vormundschaft anzuordnen, wenn der Familienstand des Minderjährigen nicht zu ermitteln ist. Dies gilt va für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisenländern, die vom zuständigen Jugendamt nach §§ 42 I 1 Nr 3, 42a I 1, 42b III 1 SGB VIII (vorläufig) in Obhut genommen werden. Das Jugendamt hat unverzüglich die Bestellung eines Vormunds zu veranlassen (§§ 42 III 4, 42b III 1 SGB VIII).
Rn 4
Das Vormundschaftsrecht trennt zwischen der Anordnung der Vormundschaft und der Bestellung des benannten oder vom Familiengericht ausgewählten Vormunds (BGH FamRZ 18, 513). Da § 168 voraussetzt, dass ein Vormund zu bestellen ist, ist die Vorschrift für die Anordnung der Vormundschaft selbst nicht anwendbar (vgl Prütting/Helms/Hammer § 168 Rz 4).
II. Allgemeine Vorschriften für das Verfahren zur Auswahl eines Vormunds.
Rn 5
Sowohl das Vormundschafts- als auch das Pflegschaftsverfahren sind Kindschaftssachen iSv § 151 Nr 4 bzw 5 (vgl dort Rn 14–19), sodass die in §§ 152 ff enthaltenen einschlägigen Verfahrensvorschriften zu beachten sind. Auch bei der Auswahl des Vormunds gilt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26).
1. Einleitung des Verfahrens.
Rn 6
Das Verfahren zur Auswahl des Vormunds wird vAw eingeleitet. Gem § 168 III setzt ein nachträgliches Überprüfungsverfahren ein entspr. ›Verlangen‹ des Mündels voraus. Dieses muss zwar nicht den Anforderungen des § 23 genügen, sondern kann wie eine Anregung in jeder Form angebracht werden (Prütting/Helms/Fröschle § 291 Rz 5). Gleichwohl handelt es sich nicht um ein Amtsverfahren iSv § 24. Vielmehr ist das ›Verlangen‹ iS eines Antrags zu verstehen, der zurückgewiesen werden muss, wenn er sich als unbegründet erweist (Sternal/Giers § 291 Rz 4; Prütting/Helms/Fröschle § 291 Rz 5 f; Bienwald/Sonnenfeld/Glaab § 291 Rz 8).
2. Zuständigkeit.
Rn 7
Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 152, richtet sich also regelmäßig nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes, § 152 II (vgl näher § 152 Rn 10 f). Insb bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingskindern kann sich die örtliche Zuständigkeit aus § 152 III ergeben; zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge bekannt wird (vgl näher § 152 Rn 12 ff).
Rn 8
Die sachliche Zuständigkeit des Familiengerichts folgt aus § 23a I 1 Nr 1 GVG iVm § 111 Nr 2. Für die Auswahl und Bestellung des Vormunds ist gem § 3 Nr 2a, § 14 RPflG funktionell grds der Rechtspfleger zuständig. Dies gilt seit dem 1.1.23 auch für die Anordnung der Vormundschaft für ausländische Minderjährige, da der in § 14 I Nr 10 RPflG enthaltene Richtervorbehalt für diese Entscheidungen aufgrund des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts (s.o., vgl Art 4 Nr 1 lit a des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts v 4.5.21 (BGBl I 882)) weggefallen ist. Allerdings kann sich aus § 6 RPflG auch die Zuständigkeit des Richters ergeben, namentlich im Verfahren nach § 1666 BGB. Das BVerfG hat herausgestellt, dass die Vormundauswahl unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit integraler Bestandteil der Sorgerechtsentscheidung ist, von der abhängen kann, ob diese überhaupt mit der Verfassung vereinbar ist. Denn die Geeignetheit und Erforderlichkeit eines Sorgerechtsentzugs und die Anordnung einer Vormundschaft oder Pflegschaft können von der konkreten Vormundauswahl abhängen, zB, weil nur die Vormundschaft eines Verwandten die Nachteile der Trennung von den Eltern kompensieren könnte. Wenn die Bestimmung des Vormunds aber nicht bereits mit der Sorgerechtsentziehung erfolgt, lassen sich deren Geeignetheit und Erfo...