1. Allgemeines.
Rn 33
Abs 3 ordnet für einen nicht geschäftsunfähigen Mündel nach Vollendung des 14. Lebensjahres die entsprechende Anwendung von § 291 und damit die Möglichkeit der nachträglichen Überprüfung interner Auswahlentscheidung insb des Jugendamts an. Diese Überprüfungsmöglichkeit soll dazu beitragen, den Mündel mit seinen Rechten als Subjekt zu stärken, ein ausdrückliches Ziel der Gesetzesreform (BTDrs 19/24445 S 327). Der Mündel soll unter den Voraussetzungen des Abs 3 die Möglichkeit erhalten, die Auswahl der Person, der ein Verein oder das Jugendamt die Ausübung der Aufgaben als (vorläufiger) Vormund übertragen hat, gerichtlich überprüfen zu lassen (BTDrs 19/24445 S 327).
2. Anwendungsbereich.
Rn 34
Die Vorschrift des § 291 bezieht sich nach dem Wortlaut des Abs 1 S 1 ausdr auf die ›Auswahl der Person, der ein Verein oder eine Behörde die Wahrnehmung der Betreuung übertragen hat‹, nicht also unmittelbar die Auswahlentscheidung durch das Familiengericht. Die entsprechende Anwendung kommt demzufolge nur bei vergleichbaren Konstellationen in Betracht, was den Anwendungsbereich nach Abs 3 einschränkt. Eine entsprechende Anwendung kommt in Betracht, wenn das Jugendamt gem § 1774 I Nr 4, II Nr 2, § 1781 BGB als (vorläufiger) Amtsvormund bestellt wird. Gem § 55 II 1 und 2 SGB VIII überträgt das Jugendamt die Ausübung der Aufgaben, ua des Vormunds, einzelnen seiner Bediensteten. Dabei sind die Grundsätze für die Auswahl durch das Familiengericht zu beachten, also insb die nach § 1778 II Nr 1 und Nr 3 BGB zu berücksichtigenden persönlichen Belange und Lebensumstände des Mündels. Wurde demgegenüber ein Vormundschaftsverein bestellt, kommt eine entspr Anwendung von § 291 nur in Betracht, wenn es sich um eine vorläufige Bestellung nach § 1781 iVm § 1774 II Nr 1 BGB handelt. Anderenfalls kommt nach § 1774 I Nr 3 BGB nur die unmittelbare Bestellung eines Mitarbeiters des Vormundschaftsvereins als Vereinsvormund durch das Familiengericht in Betracht.
3. Verfahren.
Rn 35
Das Verfahren wird ›auf Verlangen‹ des Mündels eingeleitet (vgl Rn 6). Es handelt sich nach einer vorzugswürdigen Minderansicht um ein eigenständiges Verfahren (vgl zB Prütting/Helms/Fröschle § 291 Rz 4: ›Einzelverfahren‹ iRd bestehenden Vormundschaft; vgl auch Bienwald/Sonnenfeld/Glaab § 291 Rz 8; Bauer/Klie/Lütgens/Schwedler/Walther § 291 Rz 7; aA: ›Annexverfahren‹ zum Auswahlverfahren, vgl zB Sternal/Giers § 291 Rz 2; MüKoFamFG/Schmidt-Recla § 291 Rz 2; Schulte-Bunert/Weinreich/Rausch § 291 Rz 3; BeckOK FamFG/Günter § 291 Rz 4). Die allgemeinen Verfahrensvorschriften für das Auswahlverfahren (vgl Rn 5 ff) sind auch hier anwendbar. Funktionell zuständig ist gem § 3 Nr 2a RPflG der Rechtspfleger, unabhängig davon, ob die Auswahlentscheidung ein Rechtspfleger oder – nach § 6 RPflG – ein Richter getroffen hat.
Rn 36
Das Familiengericht hat vAw zu ermitteln (§ 26). Vor einer Entscheidung wird va der Mündel und sein neu zu bestellender Verfahrensbeistand (vgl § 158 III 1 Nr 1) anzuhören sein. Außerdem ist das nach § 7 II Nr 1 zu beteiligende Jugendamt als Amtsvormund bzw der Vormundschaftsverein anzuhören und Gelegenheit zur Äußerung zu geben, §§ 34 I Nr 1, 37 II. Das Jugendamt/ASD ist nach § 162 I anzuhören. UU kann aus Gründen der Sachverhaltsaufklärung die Anhörung derjenigen Person erforderlich sein, der die Betreuung übertragen wurde.
4. Entscheidung und Rechtsmittel.
Rn 37
Das Gericht entscheidet durch zu begründenden Beschluss (§ 38), der mit der Beschwerde nach §§ 58 ff angefochten werden kann. Dem Gericht wird nicht die Befugnis eingeräumt, selbst einen anderen Mitarbeiter auszuwählen. Vielmehr kann dem Jugendamt bzw dem Vormundschaftsverein gem S 2 nur aufgegeben werden, eine andere Person auszuwählen, wenn einem Vorschlag des Betroffenen, dem keine wichtigen Gründe entgegenstehen, nicht entsprochen wurde oder die ausgewählte Person zur Wahrnehmung dieser Betreuung nicht geeignet erscheint.
Rn 38
Gem S 3 kann die Entscheidung nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Soweit ausdrücklich § 35 für unanwendbar erklärt wird, verkennt dies, dass es sich bei der gerichtlichen Entscheidung – selbst wenn man das Überprüfungsverfahren als ein Annexverfahren ansähe (vgl. Rdn 28) – nicht um eine gerichtliche Anordnung iSv § 35 I 1 handelt, die im laufenden Verfahren ergeht (vgl § 35 Rn 1). Weigert sich das Jugendamt oder der Vormundschaftsverein, die gerichtliche Entscheidung umzusetzen, kommt nur die Entlassung nach § 1804 I Nr 1 BGB in Betracht.