I. Bestellungsurkunde (Abs 1).
1. Zweck und Wirkung der Urkunde.
Rn 2
Die Übergabe der Bestellungsurkunde hat keine rechtliche Bedeutung und ist insb nicht konstitutiv für die Wirksamkeit der Vormundschaft; diese tritt gem § 168a II mit der Bekanntgabe des Bestellungsbeschlusses ein. Die Bestellungsurkunde dient dem Vormund als gerichtliches Zeugnis über die Vormundbestellung zum Nachweis seiner gesetzlichen Vertretungsmacht im Rechtsverkehr (BTDrs 19/24445, 328) und soll seine Amtsführung erleichtern (vgl zB MüKoBGB/Spickhoff § 1791 BGB aF Rz 1; Staud/Veit § 1791 BGB aF Rz 1). Sie ist aber kein amtlicher Ausweis zur Feststellung der Identität (BGH FamRZ 21, 1149 Rz 28 zur Bestallungsurkunde des Nachlasspflegers nach § 1791 BGB iVm § 1915 I 1 BGB aF, § 1813 BGB nf, § 1960 II BGB). Die Bestellungsurkunde ist auch kein Legitimationspapier iS einer Vollmachtsurkunde. Als öffentliche Urkunde iSv § 415 ZPO begründet sie lediglich den vollen Beweis hinsichtlich der Abgabe der beurkundeten Erklärung, nicht aber einen Rechtsschein für die Wirksamkeit der Bestellung oder das Fortbestehen des Amtes (MüKoBGB/Spickhoff § 1791 BGB aF Rz 4). Die Grundsätze zur Rechtsscheinhaftung gem §§ 170 ff BGB sind auf die Bestellungsurkunde nicht anwendbar (MüKoBGB/Spickhoff § 1791 BGB aF Rz 4; Staud/Veit § 1791 BGB aF Rz 8), sodass der gutgläubige Dritte, der sich aufgrund der eingesehenen Urkunde mit dem Vormund auf ein Rechtsgeschäft einlässt, gegen die Folgen eines inzwischen geänderten Umfangs der Vertretungsmacht nicht geschützt ist (Staud/Veit § 1791 BGB aF Rz 7); einen Schutz sichert allein die in Abs 3 geregelte Verpflichtung zur Rückgabe der Urkunde nach Beendigung der Vormundschaft. Tritt bei dem Dritten aufgrund unrichtiger Bestellungsurkunde ein Schaden ein, kommen nach § 839 BGB, Art 34 GG Amtshaftungsansprüche in Betracht.
Rn 3
Sind für ein Kind ausnahmsweise mehrere Vormünder bestellt, so erhält jeder von ihnen eine Bestellungsurkunde. Gem § 1775 I BGB können als Ausnahme von dem Grundsatz des Alleinvormunds (vgl zB BeckOK BGB/Bettin § 1775 Rz 1) Ehegatten bzw Lebenspartner (vgl § 21 LPartG) gemeinschaftlich zu Vormündern bestellt werden, die wie sorgeberechtigte Eltern nur gemeinschaftlich zur rechtlichen Vertretung des Mündels befugt sind. Bei Meinungsverschiedenheiten entscheidet das FamFG (§ 1793 Abs 1 Nr 1 (BeckOK BGB/Bettin § 1775 Rz 4).
Rn 4
Gem § 1775 II BGB ist als Regelfall die Bestellung eines Vormunds für mehrere Geschwister vorgesehen. In diesem Fall kann für die in der Sache selbstständigen Vormundschaften eine einzige Bestellungsurkunde ausgestellt werden (Staud/Veit § 1791 BGB aF Rz 3).
2. Form und Inhalt der Bestellungsurkunde.
Rn 5
Das Gesetz sieht zwar keine besonderen Formvorschriften vor, allerdings verlangt der Charakter als Urkunde Schriftform (BeckOK BGB/Bettin § 1791 BGB aF Rz 20; MüKoBGB/Spickhoff § 1791 BGB aF Rz 2).
Rn 6
§ 168 I 2 enthält Vorgaben über den notwendigen Inhalt der Urkunde und orientiert sich in Aufbau und Formulierung an der für Betreuungssachen geltenden Vorschrift des § 290.
Rn 7
Neben der genauen Bezeichnung von Mündel und Vormund (Abs 1 S 2 Nr 1) soll die Urkunde nach Abs 1 S 2 Nr 2 Angaben über etwaige Einschränkungen der Vertretungsmacht enthalten, die sich aus der Übertragung von Angelegenheiten auf einen zusätzlichen Pfleger nach § 1776 BGB oder eine nach § 1777 BGB als Pfleger bestellte Pflegeperson ergeben. Nach § 1776 BGB kann das Gericht bei Bestellung eines ehrenamtlichen Vormunds mit dessen Einverständnis einzelne Sorgeangelegenheiten oder eine bestimmte Art von Sorgeangelegenheiten auf einen Pfleger übertragen, wenn die Übertragung dieser Angelegenheiten dem Wohl des Mündels dient. Mit Zustimmung des Vormunds ist die Übertragung auch nachträglich noch möglich. Gem § 1777 BGB überträgt das Familiengericht unter den dort genannten Voraussetzungen auf Antrag des Vormunds, der Pflegeperson des Mündels oder aber nach § 1777 III BGB des Mündels, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, einzelne Sorgeangelegenheiten oder eine bestimmte Art von Sorgeangelegenheiten auf die Pflegeperson als Pfleger. Gem § 1777 II BGB werden Sorgeangelegenheiten, deren Regelung für den Mündel von erheblicher Bedeutung ist, der Pflegeperson nur zur gemeinsamen Wahrnehmung mit dem Vormund übertragen. Gem § 168 f S 2 sind gleichermaßen auf der Bestellungsurkunde des Pflegers die übertragenen Angelegenheiten anzugeben. Erfolgt die Übertragung einzelner Sorgeangelegenheiten nach § 1776 BGB, ist nach §§ 1776 III 1, § 1813 I, § 1789 I 1 BGB der zusätzliche Pfleger im Umfang der ihm übertragenen Aufgaben alleiniger gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen (BTDrs 19/24445, 203). Die bestehende Vormundschaft muss nicht ausgewiesen werden. Ist die Bestellung eines Pflegers auf der Grundlage von § 1777 BGB erfolgt, ist die Pflegeperson im Umfang der Übertragung nach §§ 1777 I, IV 2, 1813 I, 1789 I 1 BGB alleinige gesetzliche Vertreterin des Minderjährigen bzw. der Vormund nicht vertretungsbefugt (BTDrs 19/24445, 193 (203); vgl. BeckOGK BGB/Hoffmann § 1777 Rz 23). Lediglich in Angelegenheiten von erheblicher Bede...