I. Voraussetzung der Anhörungspflicht.
1. Nahestehende Familienangehörige.
Rn 2
Wie auch in § 168 wurde der Begriff ›nahestehende Familienangehörige‹ anstelle des in § 1847 S 1 BGB aF verwendeten Begriffs ›Verwandte und Verschwägerte‹ benutzt, um zum Ausdruck zu bringen, dass das FamG bei der Auswahl der anzuhörenden Personen nicht nur auf die Verwandtschaftsverhältnisse des Kindes und den Grad der Verwandtschaft abzustellen hat, sondern vielmehr berücksichtigen soll, ob eine Person allein aufgrund ihrer tatsächlichen Nähe oder ihrer besonderen persönlichen Beziehung zu dem Kind (BTDrs 19/24445, 326) Auskunft in Bezug auf die zu entscheidende wichtige Angelegenheit geben kann. Die Vorschrift bezieht, anders als § 168 I, nicht auch sonstige Vertrauenspersonen des Kindes ohne Familienangehörigkeit mit ein.
2. Entscheidung in einer wichtigen Angelegenheit.
Rn 3
Der Begriff der wichtigen Angelegenheiten ist unbestimmter Rechtsbegriff (vgl zB Staud/Veit § 1847 BGB aF Rz 12; MüKoBGB/Kroll-Ludwigs § 1747 BGB aF Rz 2). Die Entscheidung, ob im Einzelfall eine wichtige Angelegenheit zu entscheiden ist, liegt nicht im Ermessen des Gerichts (Staud/Veit § 1847 BGB aF Rz 12; MüKoBGB/Kroll-Ludwigs § 1847 BGB aF Rz 2; Erman/Schulte-Bunert § 1847 Rz 2). Wichtige Angelegenheiten iSv § 168c sind solche, die für das Leben des Kindes und seine Lebensgestaltung eine über den Alltag hinausgehende Bedeutung haben (Tho/Pu/Hüßtege § 168c FamFG Rz 2).
Rn 4
Hierunter fallen Personenstands- und Statusfragen, wie zB die Genehmigung der Entlassung aus der Staatsangehörigkeit (§§ 19 I, 25 I StAG), die Genehmigung eines Antrags auf Einleitung eines Aufgebotsverfahrens zur Todeserklärung des Mündels (§ 16 III VerschollenheitsG). In Betracht kommen auch Entscheidungen im Zusammenhang mit der Eheschließung des 16 Jahre alten Mündels (vgl §§ 1303 S 1, 1314 I Nr 1 BGB), wie die Befreiung von dem Eheverbot wegen der durch die Annahme als Kind begründeten Verwandtschaft in der Seitenlinie, § 1308 II BGB oder die Genehmigung eines Antrags auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe nach § 125 II 2 (vgl § 125 Rn 10 ff). Erfasst ist auch die Genehmigung der Erklärung der Anerkennung der Vaterschaft des Mündels bzw die Zustimmung des Mündels zur Vaterschaftsanerkennung, § 1596 I 3 BGB. Schließlich fällt auch die Namensänderung hierunter, wie etwa die Genehmigung des Antrags auf Änderung des Nachnamens des Kindes nach § 2 I NamÄndG.
Rn 5
Erfasst sind auch berufliche und vermögensrechtliche Angelegenheiten, die der Genehmigung des FamG bedürfen, wie zB die Ermächtigung zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts und deren Rücknahme (§ 112 BGB), die Ersetzung der Ermächtigung des Vormunds zur Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses (§ 113 III BGB), die gem § 1799 I, II iVm §§ 1848–1854 Nr 1–7 BGB genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäfte (vgl hierzu Staud/Veit § 1847 BGB aF Rz 12 ff; MüKoBGB/Kroll-Ludwigs § 1847 BGB aF Rz 2 ff; Prütting/Helms/Hammer § 168c RZ 4 ff; Sternal/Schäder § 168c Rz 2).
Rn 6
Erfasst sind zudem die Vormundschafts- und Pflegschaftsverfahren gem § 151 Nr 4 und 5, wie die Entlassung des Vormunds nach § 1804 BGB und Verfahren iSv § 1802 II 3 BGB. Die Auswahl des Vormunds ist demgegenüber nicht erfasst, weil sie in § 168 I behandelt sind (vgl Staud/Veit § 1847 BGB aF Rz 15 – zu § 1779 III 1 BGB aF).
II. Die Entscheidung des Gerichts.
Rn 7
Das Gericht entscheidet über die Anhörung naher Familienangehöriger im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 26) nach billigem Ermessen. Es kann von der Anhörung insb dann absehen, wenn diese zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung führen würde (BTDrs 19/24445, 328). Nicht mehr übernommen wurde die in § 1847 BGB aF enthaltene Regelung, wonach auch unverhältnismäßige Kosten der Anhörung ein Absehen hiervon rechtfertigen können. Die Auslagen der anzuhörenden Person können nicht mehr von dem Mündel verlangt werden (s.o.), sondern zählen als Auslagen zu den Gerichtskosten des Verfahrens (BTDrs 19/24445, 326 zu § 168) und sind gem § 23 II 3 JVEG zu erstatten. Von der Anhörung kann auch dann abgesehen werden, wenn von der anzuhörenden Person keine Aufklärung erwartet werden kann. Ein nahestehender Familienangehöriger hat kein Recht, angehört zu werden (vgl Staud/Veit § 1847 BGB aF Rz 19; Erman/Schulte-Bunert § 1847 BGB aF Rz 5); allein aus der Anhörung folgt auch keine Beteiligtenstellung, § 7 V.
III. Form der Anhörung.
Rn 8
§ 168c sieht keine besondere Form für die Anhörung vor, diese kann also mündlich, schriftlich oder auch telefonisch erfolgen. Es besteht kein Auskunftszwang (Staud/Veit § 1847 BGB aF Rz 22; MüKoBGB/Kroll-Ludwigs § 1847 BGB aF Rz 7), sofern die Auskunftsperson nicht förmlich als Zeuge vernommen wird, § 30 I iVm §§ 373 ff ZPO.
IV. Rechtsmittel.
Rn 9
Die Entscheidung des Gerichts über die Anhörung ist nicht isoliert anfechtbar, ist eine an sich gebotene Anhörung unterblieben, kann dies nur iR einer Beschwerde gegen die Endentscheidung nach §§ 58 ff (regelmäßig iVm § 11 RPflG) gerügt werden. Dies setzt eine Beschwerdebefugnis nach § 59 voraus. Diese besteht für den Mündel oder den Vormund, sofern er durch die Entscheidung in eigenen Rechten verletzt ist, nicht aber für die nicht berücksichtigten Fami...