I. Umfang der Einschränkung.
Rn 4
§ 177 I durchbricht teilw den Amtsermittlungsgrundsatz für Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft (§ 169 Nr 4). Hintergrund der Beschränkung ist das regelmäßig fehlende öffentliche Interesse an der Beseitigung einer rechtlichen Eltern-Kind-Beziehung, auch wenn es sich um eine Scheinvaterschaft handelt (MüKoFamFG/Coester-Waltjen/Lugani Rz 3, 6).
Rn 5
Gegen den Widerspruch des Anfechtenden und ohne Parteivorbringen dürfen in Verfahren nach § 169 Nr 4 nur solche Tatsachen berücksichtigt werden, die einer Anfechtung entgegenstehen und für den Erhalt der Vaterschaft sprechen, also ›anfechtungsfeindlich‹ sind (Sternal/Giers Rz 3). Für solche anfechtungsfeindlichen Tatsachen gilt der Amtsermittlungsgrundsatz unbeschränkt (MüKoFamFG/Coester-Waltjen/Lugani Rz 3). Insofern besteht Übereinstimmung mit der Regelung des § 127 II für die Verfahren auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe (Sternal/Giers Rz 1). Beispielhaft anzuführen sind Tatsachen, die auf den Ablauf der Anfechtungsfrist oder das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind hindeuten.
Rn 6
Demgegenüber dürfen ›anfechtungsfreundliche‹ und damit das Antragsziel stützende Tatsachen nur in das Verfahren eingebracht werden, wenn ein Beteiligter sie vorgebracht und der Anfechtende ihrer Verwertung nicht widersprochen hat, zB der Mehrverkehr der Mutter während der Empfängniszeit. Dem Erfordernis des Widerspruchs ist bereits dann genügt, wenn der Anfechtende zwar im Einzelfall nicht ausdr widersprochen, aber seinerseits eindeutige und widerspruchsfreie Tatsachen vorgebracht hat, die mit den sonstigen Tatsachen offensichtlich nicht im Einklang stehen (Sternal/Giers Rz 4, 5). Im Gegensatz zu einem solchen stillschweigenden Widerspruch nicht ausreichend ist die bloße Nichtübernahme einer Tatsache in den eigenen Sachvortrag (MüKoFamFG/Coester-Waltjen/Lugani Rz 4).
II. Folgen der Einschränkung.
Rn 7
Von dem Verbot des Abs 1 erfasst sind nur Tatsachen, nicht aber die Anwendung bestimmter Beweismethoden oder Rechtsansichten (HK-ZPO/Kemper FamFG Rz 3). Über den Wortlaut hinaus unerheblich ist, ob die dem Verwertungsverbot unterliegenden Tatsachen vAw durch das Gericht oder von den übrigen Beteiligten in das Verfahren eingebracht worden sind (Sternal/Giers Rz 4). Die fehlerhafte Berücksichtigung bzw Nichtberücksichtigung einer Tatsache stellt einen Verfahrensfehler, nicht aber einen wesentlichen Mangel iSd § 69 I 3 dar, sodass das Beschwerdegericht in der Sache selbst zu entscheiden und den Fehler zu heilen hat und damit eine Rückverweisung an das Gericht der ersten Instanz ausgeschlossen ist (Haußleiter/Eickelmann Rz 9).
III. Entsprechende Anwendung.
Rn 8
Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift kommt im Fall der in anderen Rechtsordnungen anerkannten Anfechtung der Mutterschaft nach ausländischem Kindschaftsstatut in Betracht, sofern auch hier das Interesse am Erhalt der rechtlichen Mutter-Kind-Beziehung dasjenige an der Feststellung der biologischen Mutterschaft überwiegt. Ist dies nicht der Fall, kommt § 177 I auch nicht über den ordre public zu Geltung (MüKoFamFG/Coester-Waltjen/Lugani Rz 8).