Gesetzestext

 

(1) Soweit es zur Feststellung der Abstammung erforderlich ist, hat jede Person Untersuchungen, insbesondere die Entnahme von Blutproben, zu dulden, es sei denn, dass ihr die Untersuchung nicht zugemutet werden kann.

(2) 1Die §§ 386 bis 390 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. 2Bei wiederholter unberechtigter Verweigerung der Untersuchung kann auch unmittelbarer Zwang angewendet, insbesondere die zwangsweise Vorführung zur Untersuchung angeordnet werden.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Die Norm schafft die notwendige gesetzliche Grundlage für die Einschränkung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit gem Art 2 II GG für die Klärung der leiblichen Abstammung, die praktisch nur durch ein Sachverständigengutachten möglich ist. Nach Abs 1 besteht iRd Zumutbaren eine Duldungspflicht für erforderliche Untersuchungen. Abs 2 regelt die Weigerung und deren Folgen unter Verweis auf die ZPO.

 

Rn 2

Zum Anwendungsbereich der Vorschrift gehören alle Verfahren, in denen die Abstammung Grundlage der rechtlichen Zuordnung ist, dh in Verfahren nach § 169 Nr 1 und 4. Verfahren nach § 169 Nr 2 betreffen nicht die Duldungspflicht innerhalb, sondern außerhalb eines Verfahrens. Die Norm ergänzt den materiell-rechtlichen § 1598a BGB, der außerhalb von Abstammungsverfahren gilt. Als reine Verfahrensvorschrift gewährt § 178 keinen darüber hinausgehenden eigenen Rechtsanspruch auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung, etwa gg den mutmaßlich biologischen Vater (Zweibr BeckRS 22 23428 Rz 4f). Eine eigene Duldungspflicht besteht gem § 167a. Hier geht es nicht um die rechtliche Eltern-Kind-Stellung, sondern um die leibliche Vaterstellung als Grundlage der Rechte gem § 1696a BGB.

B. Duldungspflicht.

 

Rn 3

Abs 1 nennt ›Untersuchungen, insb die Entnahme von Blut‹. Erfasst werden aber bspw auch Untersuchungen für erbbiologische Gutachten, Tragzeitgutachten und Zeugungsfähigkeitsprüfungen.

 

Rn 4

Voraussetzung ist, dass die Untersuchung zur Feststellung der Abstammung erforderlich ist. Dafür müssen die Antragsvoraussetzungen vorliegen und die Untersuchung geeignet sein, zur Klärung der Abstammung beizutragen. Schließlich ist erforderlich, dass die Abstammung nicht durch Untersuchung anderer, dem Kind potenziell näherstehender Personen geklärt werden kann. So ist der potenzielle Vater vor seinen Eltern zu untersuchen.

 

Rn 5

Macht die zu untersuchende Person die Unzumutbarkeit der Untersuchung erfolgreich geltend (Feststellungslast beim Betroffenen), so ist die Untersuchung ausgeschlossen. Die Unzumutbarkeit ist im Einzelfall aufgrund einer Interessenabwägung mit Blick auf die Folgen der Untersuchung für die betroffene Person festzustellen. Dabei ist der hohe Wert der Kenntnis der eigenen Abstammung zu gewichten und zu berücksichtigen, dass eine Untersuchung sogar mit Zwang durchgesetzt werden kann. In Betracht kommen vor allem negative gesundheitliche einschließlich psychischer Folgen der Untersuchung selbst. Ggf kann auch auf eine weniger beeinträchtigende Untersuchungsmethode zurückzugreifen sein. Nicht ausreichend ist insofern eine zu erwartende Belastung der Adoptivfamilie durch eine genetische Untersuchung des Kindes auch vor dem Hintergrund, dass Adoptivkinder regelmäßig bereits frühzeitig über ihre Abstammung von anderen Eltern aufgeklärt werden (Celle BeckRS 22, 19237 Rz 41 ff). Unerheblich sind ferner mittelbare wirtschaftliche Folgen, zB die aus der Vaterstellung folgende Unterhaltspflicht. Auch die mögliche Aufdeckung einer Straftat durch die Untersuchung begründet grds keine Unzumutbarkeit.

 

Rn 6

Die von der Duldungspflicht erfassten Personen sind nicht auf die (potenziellen) Eltern und das Kind beschränkt, sondern umfassen auch weitere Personen, zB Großeltern. Dies kann zB der Fall sein, wenn eine potenziell näher verwandte Person nicht aufgefunden und untersucht werden kann. Ggf können sogar bereits verstorbene Personen für Untersuchungen exhumiert werden.

C. Weigerung.

 

Rn 7

Abs 2 gilt auch für § 167a. Zu unterscheiden ist zwischen der Weigerung mit schriftlicher Begründung und ohne Begründung. Bei einer Weigerung mit Begründung wird die Rechtmäßigkeit der Weigerung und damit die Erforderlichkeit und Zumutbarkeit der Untersuchung in einem förmlichen Zwischenverfahren entspr §§ 386 ff ZPO überprüft (Keidel/Engelhardt Rz 15). Wird ohne Begründung verweigert, können dem Betroffenen die durch die Weigerung entstandenen Kosten auferlegt werden (Schlesw 16, 1481 Rz 12 ff). Bei einer unberechtigten oder unbegründeten Weigerung kann Ordnungsgeld und Ordnungshaft verhängt werden (§ 390 ZPO). Bei mehrfacher Weigerung kann auch der Einsatz von unmittelbarem Zwang verhältnismäßig sein (Keidel/Engelhardt Rz 19f). Aufgrund der Möglichkeit, ein Abstammungsgutachten anhand eines Mundschleimhautabstriches durchzuführen, ist eine Blutentnahme zu diesem Zweck entgegen dem Wortlaut bis auf begründungsbedürftige Ausnahmefälle nicht mehr erforderlich und mithin unverhältnismäßig (Frankf FamRZ 19, 1254).

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