Gesetzestext
(1) Der Restitutionsantrag gegen einen rechtskräftigen Beschluss, in dem über die Abstammung entschieden ist, ist auch statthaft, wenn ein Beteiligter ein neues Gutachten über die Abstammung vorlegt, das allein oder in Verbindung mit den im früheren Verfahren erhobenen Beweisen eine andere Entscheidung herbeigeführt haben würde.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme kann auch von dem Beteiligten erhoben werden, der in dem früheren Verfahren obsiegt hat.
(3) 1Für den Antrag ist das Gericht ausschließlich zuständig, das im ersten Rechtszug entschieden hat; ist der angefochtene Beschluss von dem Beschwerdegericht oder dem Rechtsbeschwerdegericht erlassen, ist das Beschwerdegericht zuständig. 2Wird der Antrag mit einem Nichtigkeitsantrag oder mit einem Restitutionsantrag nach § 580 der Zivilprozessordnung verbunden, ist § 584 der Zivilprozessordnung anzuwenden.
(4) § 586 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden.
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Vorschrift entspricht in ihrem Regelungsgehalt § 641i ZPO aF. Sie erweitert in verfassungskonformer Weise (BGH NJW 03, 3708 unter Berufung auf BVerfGE 35, 41) die nach § 48 II iVm §§ 578–591 ZPO generell bestehende Möglichkeit des Wiederaufgreifens eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens. Das Bedürfnis einer erweiternden Regelung ergibt sich daraus, dass eine fehlerhafte Vaterschaftsfeststellung grds auch durch ein Restitutionsverfahren nicht korrigiert werden kann. Die bloße Erkenntnis der Unrichtigkeit einer Entscheidung ist kein Wiederaufgreifensgrund iSd allgemeinen Vorschriften. Aufgrund der weitreichenden Bedeutung von Statusentscheidungen und deren Folgen für die Beteiligten bedarf es der zusätzlichen Möglichkeit einer Revision unrichtiger Entscheidungen, um so auch den wissenschaftlichen Fortschritt berücksichtigen und größtmögliche Übereinstimmung der gerichtlichen Entscheidung mit der tatsächlichen Abstammung erreichen zu können (MüKoFamFG/Coester-Waltjen/Lugani Rz 3). Die allgemeinen Wiederaufgreifensgründe bleiben unberührt (HK-ZPO/Kemper FamFG Rz 2).
B. Anwendungsbereich.
Rn 2
Nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Vorschrift muss die leibliche Abstammung selbst Gegenstand des Verfahrens und des rechtskräftigen Beschlusses gewesen sein, da nur in diesem Fall ein neues Gutachten von Relevanz sein kann (MüKoFamFG/Coester-Waltjen/Lugani Rz 4). In Betracht kommt jeder feststellende oder gestaltende rechtskräftige Beschluss über Verfahren nach § 169 Nr 1 und 4, nicht Nr 2 und 3. Erfasst sind positive und negative Feststellungen sowie antragsabweisende Entscheidungen oder solche, die eine hiergegen gerichtete Beschwerde zurückweisen (Sternal/Giers Rz 3; MüKoFamFG/Coester-Waltjen/Lugani Rz 4). Ein gleichzeitig mit einem Antrag auf Vaterschaftsfeststellung verbundener Antrag auf Verpflichtung zur Zahlung von Regelunterhalt wird von der Wiederaufnahme miterfasst (BGH NJW 93, 1928 [BGH 31.03.1993 - XII ZR 19/92]).
Rn 3
An der Statthaftigkeit fehlt es bei Abweisung eines früheren Anfechtungsantrags wegen Fristversäumnis. Dies gilt vor dem Hintergrund, dass § 185 I ein bereits vorliegendes Gutachten voraussetzt, selbst dann, wenn ein nach § 1598a BGB eingeholtes Gutachten die Abstammung widerlegt. Anderenfalls könnte der rechtliche Vater bei Etablierung neuer Gutachtenmethoden und damit einhergehender bloß geringer Möglichkeit der Restitution stets erneute Untersuchungen erzwingen, obwohl der Anspruch aus § 1598a I BGB grds voraussetzt, dass die leibliche Abstammung des Kindes nicht bereits durch ein Abstammungsgutachten geklärt ist (BeckOKFamFG/Weber Rz 3; BGH NZFam 17, 86). Eine etwaige Verfahrensfehlerhaftigkeit des Beschlusses ist unerheblich (Haußleiter/Eickelmann Rz 5).
Rn 4
Die Wiederaufnahme des Verfahrens gem § 185 findet nicht nur zwischen den Parteien des Vorverfahrens, sondern auch im Fall der Verfahrensfortsetzung gem § 181 nach Tod eines Beteiligten statt (Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller Rz 2). Den Erben eines Beteiligten ist die Veranlassung der Wiederaufnahme des Verfahrens durch Vorlage eines neuen Gutachtens hingegen verwehrt (Celle FamRZ 00, 1510).
C. Neues Gutachten über die Abstammung.
I. Form und Inhalt.
Rn 5
Das Gesetz stellt keine ausdrücklichen Anforderungen an die Form oder Überzeugungskraft des neuen Gutachtens. Eine generelle Eignung zur Herbeiführung einer abweichenden Entscheidung ist jedoch nur anzunehmen, wenn es sich um schriftliche Ausführungen handelt, die ›auf Basis anerkannter wissenschaftlicher Grundsätze zu Fragen und Aspekten der genetisch-biologischen Abstammung, die im Vorverfahren konkret entscheidungsrelevanten Charakter hatten, Stellung beziehen‹ und von einer fachkundigen Person herrühren (BeckOKFamFG/Weber Rz 4, 4a; BGH NJW 03, 3708). Der Gutachter kann sowohl gerichtlich bestellt als auch privat beauftragt worden sein. Der Verwertung eines Privatgutachtens ist so lange nichts entgegenzusetzen, wie die zugrunde liegenden Informationen auf legale Weise und nicht etwa durch einen heimlichen Vaterschaftstest beschafft worden sind (Musielak/Borth/Borth/Grandel Rz 4; BeckOKFamFG/Weber Rz 4a).
Rn 6
Inhaltlich ist der Bezug zu Fragen der ...