Gesetzestext

 

(1) Ehewohnungssachen sind Verfahren

1. nach § 1361b des Bürgerlichen Gesetzbuches,
2. nach § 1568a des Bürgerlichen Gesetzbuches.

(2) Haushaltssachen sind Verfahren

1. nach § 1361a des Bürgerlichen Gesetzbuches,
2. nach § 1568b des Bürgerlichen Gesetzbuches.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Im Zusammenhang mit § 111 Nr 5 sollen die §§ 200 ff den räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe schützen (BGHZ 71, 216, 223; KG Beschl v 7.3.17 – 18 UF 118/16, FamRZ 17, 1393). Die folgenden besonderen verfahrensrechtlichen Regelungen haben im Verhältnis zu anderen Normen Sperrwirkung (BGH Beschl v 28.9.16 – XII ZB 487/15, BGHZ 212, 133). So ist zB die Einleitung eines Teilungsversteigerungsverfahrens während der Trennungszeit ebenso wenig zulässig wie ein Verfahren auf Herausgabe der Ehewohnung nach § 985 BGB (Hambg Beschl v 28.7.17 – 12 UF 163/16, FamRZ 17, 1829). Bei Ehewohnungs- und Haushaltssachen handelt es sich im Gegensatz zu bspw Unterhaltsverfahren nicht um Familienstreitsachen. Deshalb gelten die Grundsätze für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Das wiederum hat zur Folge, dass der Amtsermittlungsgrundsatz und nicht das Beibringungsprinzip gilt. Solange eine Ehewohnungs- oder Haushaltssache nicht im Verbund geltend gemacht wird, bedarf es dann auch keiner anwaltlichen Vertretung, § 114 FamFG.

B. TB-Voraussetzungen.

I. Ehewohnungssachen.

 

Rn 2

Durch Verweisung auf §§ 1361b und 1568a BGB wird der Begriff der Ehewohnung iSd FamFG definiert. Umfasst sind alle Räume, in denen die Ehegatten wohnen, gewohnt haben oder bestimmungsgemäß wohnen wollen, unabhängig von Eigentums- oder güterrechtlichen Verhältnissen (FAKomm-FamR/Weinreich § 1361b BGB Rz 7). Das der Nutzung zugrunde liegende Rechtsverhältnis ist dabei irrevelant (Grüneberg/Götz, 81. Aufl, § 1361b BGB Rz 2). Die Qualifizierung als Ehewohnung gilt zudem während der gesamten Trennungszeit. Ohne Bedeutung ist, ob ein Ehegatte die Wohnung bereits seit längerer Zeit verlassen hat oder ob ein Überlassungsverhältnis vorliegt (BGH Beschl v 12.6.13 – XII ZR 143/11, FamRZ 13, 1280). Eine Zuweisung der Wohnung nach GewSchG an einen Ehegatten ändert dementsprechend nichts daran, dass es sich bei der Wohnung noch immer um die Ehewohnung mit den zu beachtenden Sondervorschriften handelt. Von dem Begriff der Ehewohnung ebenfalls umfasst ist die Wohnung in der Zeit nach der Ehescheidung, soweit der Anwendungsbereich des § 1568a BGB eröffnet ist. Ein Herausgabeverlangen kann in dem Fall nur auf § 1568a BGB in Form der Überlassung beantragt, nicht aber auf § 985 BGB gestützt werden (Brandbg Beschl v 15.1.19 – 10 UF 14/18). Umstritten ist, ob die Anwendbarkeit des § 1568a BGB einer zeitlichen Beschränkung unterliegt, also die Wohnung nach Ablauf von zB einem Jahr (Bambg Beschl v 3.11.16 – 2 UF 154/16) oder zB 10 Jahren (Frankf Beschl v 23.8.19 – 2 UF 119/18, NJW 20, 245 mwN: nach Rechtskraft der Ehescheidung) ihre Stellung als ›Ehewohnung‹ verliert. Die höchstrichterliche Rspr vertritt die Ansicht, dass es für die Qualifizierung einer Wohnung als Ehewohnung ausschließlich auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung ankommt. Wie sich die Situation zum Zeitpunkt des Beschlusses, die Entscheidung die Wohnung betreffend, darstellt, sei unerheblich. Voraussetzung sei aber, dass der Überlassungsantrag vor Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft der Ehescheidung rechtshängig gemacht worden sei (BGH Beschl v 10.3.21 – XII ZB 243/20).

 

Rn 2a

Über §§ 1361b, 1568a BGB kann Zuweisung der Ehewohnung beantragt werden. Eine Zuweisung liegt vor, wenn die vor Trennung von den Ehegatten gemeinsam genutzte Wohnung einem der Ehegatten zum alleinigen oder Mitbesitz zugesprochen wird. Zu beachten ist, dass §§ 1361b und 1568a BGB Spezialnormen sind, die andere, allgemeinere, Anspruchsgrundlagen verdrängen. Der Herausgabeanspruch einer Ehewohnung kann deshalb nicht auf § 985 BGB oder Besitzschutz gestützt werden, soweit die spezielleren Normen zur Anwendung kommen (BGH Beschl v 28.9.16 – XII ZB 487/15). Vor Trennung kann der Zugang der Ehewohnung auf Besitzschutzregeln gestützt werden, nach der Trennung der Ehegatten greifen die spezielleren Normen.

II. Räumungsanspruch.

 

Rn 3

Nicht abschließend geklärt zu sein, scheint auch die Frage, auf welcher Anspruchsgrundlage die Räumungsverpflichtung des weichenden Ehegatten beruht. ZT wird auf die ›Wohlverhaltensklausel‹ des § 1361b Abs 3 BGB zurückgegriffen, der entspr für § 1568a BGB gelten würde. Ein Antrag auf Räumung der zugewiesenen Ehewohnung würde dann als ›Ehewohnungssache‹ qualifiziert werden und verfahrensrechtlich nach §§ 200 ff behandelt (KG Beschl v 7.3.17 – 18 UF 118/16, FamRZ 17, 1393). Es wäre ein verfahrenseinleitender Antrag zu stellen. Bei Bedarf käme es zum Erörterungstermin. UU müsste das Jugendamt beteiligt werden. Eine andere Ansicht entnimmt die Verpflichtung zur Räumung der Wohnung dem Inhalt des Überlassungsanspruchs selbst. Die Frage der Räumung würde sich dann iRd Zwangsvollstreckung nach § 885 Abs 1 ZPO, § 95 Abs 1 Nr 2 Alt 2 FamFG stellen (Hamm Beschl v 23.3.15 – 4 UF 211/14, – openJur 15, 16279 = NJW 15, 2349). Wä...

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