Gesetzestext
(1) Ehewohnungssachen sind Verfahren
(2) Haushaltssachen sind Verfahren
A. Normzweck.
Rn 1
Im Zusammenhang mit § 111 Nr 5 sollen die §§ 200 ff den räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe schützen (BGHZ 71, 216, 223; KG Beschl v 7.3.17 – 18 UF 118/16, FamRZ 17, 1393). Die folgenden besonderen verfahrensrechtlichen Regelungen haben im Verhältnis zu anderen Normen Sperrwirkung (BGH Beschl v 28.9.16 – XII ZB 487/15, BGHZ 212, 133). Sie gehen in der Anwendung vor. Bedeutung kann das in Fällen von Herausgabeverlangen nach § 985 BGB oder Nutzungsersatzansprüchen haben. Ein Antrag auf Herausgabe der Ehewohnung nach § 985 BGB während der Trennungszeit wäre unzulässig (BGH Beschl v 28.9.16 – XII ZB 487/15; BGHZ 212, 133; FamRZ 17, 22).
Rn 1a
Mit Beschluss vom 16.11.22 zu dem Az XII ZB 100/22 hat der BGH aber klargestellt, dass die Sperrwirkung des § 1361b BGB nicht so weit gehe, dass eine Teilungsversteigerung während der Trennungszeit nicht zulässig sei. Im Gegenteil stehe dem Ehegatten, der die Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft wünsche, nur der Aufhebungsanspruch nach §§ 749 Abs 1, 753 BGB zur Verfügung. Der Schutz des verbleibenden Ehegatten sei hinreichend durch das Schrankensystem aus materiell-rechtlichen Einwendungen nach §§ 1365, 1353 Abs 1 S 2, 242 BGB gewahrt (BGH Beschl v 16.11.22 – XII ZB 100/22, FamRZ 23, 352). Die bisherige Ansicht, die Sperrwirkung gehe so weit, dass die Einleitung eines Teilungsversteigerungsverfahrens während der Trennungszeit unzulässig sei (zB Hambg Beschl v 28.7.17 – 12 UF 163/16 = FamRZ 17, 1829), ist damit hinfällig geworden. So auch schon Jena Beschl v 30.8.18 – 1 UF 38/18 = NJW-RR 19, 264).
Rn 1b
Ebenfalls nicht von der Sperrwirkung umfasst sind Ansprüche Dritter auf Herausgabe der Wohnung. Die Sonderregeln zur Ehewohnung gelten nur zwischen den Ehegatten (Nürnbg Beschl v 10.8.23 – 7 UF 312/23, FamRZ 23, 1853).
Rn 1c
Bei Ehewohnungs- und Haushaltssachen handelt es sich im Gegensatz zu bspw Unterhaltsverfahren nicht um Familienstreitsachen. Deshalb gelten die Grundsätze für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Das wiederum hat zur Folge, dass der Amtsermittlungsgrundsatz und nicht das Beibringungsprinzip gilt. Solange eine Ehewohnungs- oder Haushaltssache nicht im Verbund geltend gemacht wird, bedarf es dann auch keiner anwaltlichen Vertretung, § 114 FamFG.
B. TB-Voraussetzungen.
I. Ehewohnungssachen.
Rn 2
Durch Verweisung auf §§ 1361b und 1568a BGB wird der Begriff der Ehewohnung iSd FamFG definiert. Umfasst sind alle Räume, in denen die Ehegatten wohnen, gewohnt haben oder bestimmungsgemäß wohnen wollen, unabhängig von Eigentums- oder güterrechtlichen Verhältnissen (FAKomm-FamR/Weinreich § 1361b BGB Rz 7). Das der Nutzung zugrunde liegende Rechtsverhältnis ist dabei irrevelant (Grüneberg/Götz, 81. Aufl, § 1361b BGB Rz 2). Die Qualifizierung als Ehewohnung gilt zudem während der gesamten Trennungszeit. Ohne Bedeutung ist, ob ein Ehegatte die Wohnung bereits seit längerer Zeit verlassen hat oder ob ein Überlassungsverhältnis vorliegt (BGH Beschl v 12.6.13 – XII ZR 143/11, FamRZ 13, 1280). Eine Zuweisung der Wohnung nach GewSchG an einen Ehegatten ändert dementsprechend nichts daran, dass es sich bei der Wohnung noch immer um die Ehewohnung mit den zu beachtenden Sondervorschriften handelt. Von dem Begriff der Ehewohnung ebenfalls umfasst ist die Wohnung in der Zeit nach der Ehescheidung, soweit der Anwendungsbereich des § 1568a BGB eröffnet ist. Ein Herausgabeverlangen kann in dem Fall nur auf § 1568a BGB in Form der Überlassung beantragt, nicht aber auf § 985 BGB gestützt werden (Brandbg Beschl v 15.1.19 – 10 UF 14/18). Umstritten ist, ob die Anwendbarkeit des § 1568a BGB einer zeitlichen Beschränkung unterliegt, also die Wohnung nach Ablauf von zB einem Jahr (Bambg Beschl v 3.11.16 – 2 UF 154/16) oder zB 10 Jahren (Frankf Beschl v 23.8.19 – 2 UF 119/18, NJW 20, 245 mwN: nach Rechtskraft der Ehescheidung) ihre Stellung als ›Ehewohnung‹ verliert. Die höchstrichterliche Rspr vertritt die Ansicht, dass es für die Qualifizierung einer Wohnung als Ehewohnung ausschließlich auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung ankommt. Wie sich die Situation zum Zeitpunkt des Beschlusses, die Entscheidung die Wohnung betreffend, darstellt, sei unerheblich. Voraussetzung sei aber, dass der Überlassungsantrag vor Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft der Ehescheidung rechtshängig gemacht worden sei (BGH Beschl v 10.3.21 – XII ZB 243/20). Zu beachten ist aber, dass mit Rechtskraft der Ehescheidung den Eigentumsverhältnissen an der Wohnung erhebliches Gewicht zufällt (Frankf Beschl v 18.07.22 – 6 UF 87/22, FuR 22, 597).
Rn 2a
Über §§ 1361b, 1568a BGB kann Zuweisung der Ehewohnung beantragt werden. Eine Zuweisung liegt vor, wenn die vor Trennung von den Ehegatten gemeinsam genutzte Wohnung einem der Ehegatten zum alleinigen oder Mitbesitz zugesprochen wird...