Rn 2
Durch Verweisung auf §§ 1361b und 1568a BGB wird der Begriff der Ehewohnung iSd FamFG definiert. Umfasst sind alle Räume, in denen die Ehegatten wohnen, gewohnt haben oder bestimmungsgemäß wohnen wollen, unabhängig von Eigentums- oder güterrechtlichen Verhältnissen (FAKomm-FamR/Weinreich § 1361b BGB Rz 7). Das der Nutzung zugrunde liegende Rechtsverhältnis ist dabei irrevelant (Grüneberg/Götz, 81. Aufl, § 1361b BGB Rz 2). Die Qualifizierung als Ehewohnung gilt zudem während der gesamten Trennungszeit. Ohne Bedeutung ist, ob ein Ehegatte die Wohnung bereits seit längerer Zeit verlassen hat oder ob ein Überlassungsverhältnis vorliegt (BGH Beschl v 12.6.13 – XII ZR 143/11, FamRZ 13, 1280). Eine Zuweisung der Wohnung nach GewSchG an einen Ehegatten ändert dementsprechend nichts daran, dass es sich bei der Wohnung noch immer um die Ehewohnung mit den zu beachtenden Sondervorschriften handelt. Von dem Begriff der Ehewohnung ebenfalls umfasst ist die Wohnung in der Zeit nach der Ehescheidung, soweit der Anwendungsbereich des § 1568a BGB eröffnet ist. Ein Herausgabeverlangen kann in dem Fall nur auf § 1568a BGB in Form der Überlassung beantragt, nicht aber auf § 985 BGB gestützt werden (Brandbg Beschl v 15.1.19 – 10 UF 14/18). Umstritten ist, ob die Anwendbarkeit des § 1568a BGB einer zeitlichen Beschränkung unterliegt, also die Wohnung nach Ablauf von zB einem Jahr (Bambg Beschl v 3.11.16 – 2 UF 154/16) oder zB 10 Jahren (Frankf Beschl v 23.8.19 – 2 UF 119/18, NJW 20, 245 mwN: nach Rechtskraft der Ehescheidung) ihre Stellung als ›Ehewohnung‹ verliert. Die höchstrichterliche Rspr vertritt die Ansicht, dass es für die Qualifizierung einer Wohnung als Ehewohnung ausschließlich auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung ankommt. Wie sich die Situation zum Zeitpunkt des Beschlusses, die Entscheidung die Wohnung betreffend, darstellt, sei unerheblich. Voraussetzung sei aber, dass der Überlassungsantrag vor Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft der Ehescheidung rechtshängig gemacht worden sei (BGH Beschl v 10.3.21 – XII ZB 243/20). Zu beachten ist aber, dass mit Rechtskraft der Ehescheidung den Eigentumsverhältnissen an der Wohnung erhebliches Gewicht zufällt (Frankf Beschl v 18.07.22 – 6 UF 87/22, FuR 22, 597).
Rn 2a
Über §§ 1361b, 1568a BGB kann Zuweisung der Ehewohnung beantragt werden. Eine Zuweisung liegt vor, wenn die vor Trennung von den Ehegatten gemeinsam genutzte Wohnung einem der Ehegatten zum alleinigen oder Mitbesitz zugesprochen wird. Zu beachten ist, dass §§ 1361b und 1568a BGB Spezialnormen sind, die andere, allgemeinere, Anspruchsgrundlagen verdrängen. Der Herausgabeanspruch einer Ehewohnung kann deshalb nicht auf § 985 BGB oder Besitzschutz gestützt werden, soweit die spezielleren Normen zur Anwendung kommen (BGH Beschl v 28.9.16 – XII ZB 487/15). Vor Trennung kann der Zugang der Ehewohnung auf Besitzschutzregeln gestützt werden, nach der Trennung der Ehegatten greifen die spezielleren Normen.