Gesetzestext
(1) 1Auf Antrag kann das Gericht durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Regelung nach § 1 oder § 2 des Gewaltschutzgesetzes treffen. 2Ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden liegt in der Regel vor, wenn eine Tat nach § 1 des Gewaltschutzgesetzes begangen wurde oder auf Grund konkreter Umstände mit einer Begehung zu rechnen ist.
(2) 1Der Beschluss nach Absatz 1 ist von Amts wegen zuzustellen. 2Die Geschäftsstelle beauftragt den Gerichtsvollzieher mit der Zustellung. 3Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung gilt im Fall des Erlasses ohne mündliche Erörterung zugleich als Auftrag zur Vollstreckung; auf Verlangen des Antragstellers darf die Zustellung nicht vor der Vollstreckung erfolgen.
A. Normzweck/Regelungsinhalt.
Rn 1
Nach § 214 I 1 kann das FamG durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Regelung nach §§ 1, 2 GewSchG treffen. Die Vorschrift erscheint (wegen § 49 I) auf den ersten Blick überflüssig (vgl auch BTDrs 16/6308, 382). Anders als nach § 49 I ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 214 I 1 aber nur auf Antrag möglich. § 214 I 1 ist insoweit lex specialis. Von § 64b III 1 FGG aF unterscheidet sich die Regelung insb dadurch, dass – der Systematik des FamFG entpr – keine Anhängigkeit eines Hauptsacheverfahrens oder eines darauf gerichteten Antrags auf Bewilligung v VKH erforderlich ist (BTDrs 16/6308, 252; zur VKH-Bewilligung für ein Hauptsache- u ein einstweiliges Anordnungsverfahren: Stuttg Beschl v 9.8.18 – 18 WF 24/18, FamRZ 19, 298; Karlsr Beschl v 22.2.17 – 18 WF 32/17). Ein Übergang vom einstweiligen Anordnungsverfahren zum Hauptsacheverfahren ist nicht möglich (Frankf Beschl v 22.8.23 – 6 UF 115/23 = MDR 23, 1477; Karlsr Beschl v 9.9.22 – 20 UF 105/22 = NJW-RR 23, 11). Die Norm enthält außerdem eine Konkretisierung des Begriffs des dringenden Bedürfnisses für ein sofortiges Tätigwerden in Gewaltschutzsachen. Dadurch soll klargestellt werden, dass in den Fällen des § 1 GewSchG idR das dringende Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden anzunehmen ist (BTDrs 16/6308, 252).
B. Voraussetzungen der einstweiligen Anordnung.
I. Antrag.
Rn 2
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt nach § 214 I 1 zunächst voraus, dass ein entspr Antrag gestellt wird, der nach § 51 I 2 zu begründen ist. Der Antrag ist ein reiner Verfahrensantrag u kein Sachantrag; das FamG ist – insb was die anzuordnenden Schutzmaßnahmen angeht – an den Inhalt des Antrags also nicht gebunden. Anwaltszwang besteht nicht. Die verletzte Person kann den Antrag deshalb gem § 25 I schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle stellen.
II. Anordnungsanspruch.
Rn 3
Eine einstweilige Anordnung setzt nach § 49 I grds voraus, dass sie nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist, dh ein Anordnungsanspruch besteht. Für eine einstweilige Gewaltschutzanordnung müssen also die Voraussetzungen für den Erlass einer Schutzanordnung nach den §§ 1, 2 GewSchG vorliegen. Insoweit wird erg auf die Kommentierung zu § 210 verwiesen.
III. Anordnungsgrund.
Rn 4
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt nach § 49 I außerdem einen Anordnungsgrund voraus, dh ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden. Ein solches liegt gem § 214 I 2 idR vor, wenn eine Tat iSv § 1 GewSchG begangen worden oder aufgrund konkreter Umstände mit der Begehung zu rechnen ist. Die Formulierung ist insofern missverständlich, als eine Schutzanordnung nach § 1 I 1 GewSchG nur in Betracht kommt, wenn es bereits zu einer Tat gekommen ist. Das dringende Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden fehlt, wenn zwischen der Tat u dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung so viel Zeit vergangen ist, dass in der Zwischenzeit ein Hauptsacheverfahren hätte durchgeführt werden können (vgl Köln Beschl v 2.3.11 – II-4 WF 34/11, FamRZ 11, 1080). Dasselbe gilt, wenn der ASt das Verfahren nicht zügig betreibt; Fristverlängerungs- oder Terminverlegungsanträge können die Dringlichkeitsvermutung widerlegen (Hambg Beschl v 20.10.20 – 12 WF 125/20, NZFam 20, 1065). Der Anordnungsgrund entfällt, wenn der Anlass für die Anordnung nach ihrem Erlass dadurch wegfällt, dass der ASt bewusst auf den Schutz der Anordnung verzichtet; eine Aufrechterhaltung der Anordnung ›auf Vorrat‹ kommt nicht in Betracht (KG Beschl v 16.10.23 – 3 UF 35/23). Bei einem bestehenden Vergleich fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für ein erneutes Gewaltschutzverfahren nur, wenn der Vergleich geeignet ist, den vom ASt für notwendig erachteten Schutz zu bieten u sich der Vergleich in einen vollstreckungsfähigen Titel überführen lässt (Schlesw Beschl v 3.7.20 – 15 UF 4/20, FamRZ 20, 1835; Brandg Beschl v 26.9.18 – 13 WF 171/18, FamRZ 19, 1328). Der Antragsgegner kann die Vermutung des § 214 I 2 durch den Nachweis fehlender Dringlichkeit entkräften (Köln Beschl v 4.1.21 – II-10 UF 168/20, FamRZ 21, 1228).
IV. Glaubhaftmachung.
Rn 5
Der ASt muss die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung glaubhaft machen (§ 51 I 2), dh, es muss ein nicht zu vernachlässigender Grad an Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der behaupteten Anordnungsgründe gegeben sein (Köln Beschl v 4.1.21 – II-1...