Gesetzestext

 

(1) Ein Antrag kann bis zur Rechtskraft der Endentscheidung zurückgenommen werden. Die Rücknahme bedarf nach Erlass der Endentscheidung der Zustimmung der übrigen Beteiligten.

(2) Eine bereits ergangene, noch nicht rechtskräftige Endentscheidung wird durch die Antragsrücknahme wirkungslos, ohne dass es einer ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Das Gericht stellt auf Antrag die nach Satz 1 eintretende Wirkung durch Beschluss fest. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

(3) Eine Entscheidung über einen Antrag ergeht nicht, soweit sämtliche Beteiligte erklären, dass sie das Verfahren beenden wollen.

(4) Die Absätze 2 und 3 gelten nicht in Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet werden können.

A. Zweck der Vorschrift.

 

Rn 1

Die Vorschrift regelt Voraussetzungen und Wirkungen der Antragsrücknahme (Begr zu § 22 RegE in BTDrs 16/6308, S 184). Ihre systematische Stellung innerhalb des Gesetzes ist verfehlt, weil sie zu Abschn 2 von Buch 1 des FamFG gehört (Holzer/Holzer § 22 Rz 2). Der Gesetzgeber sollte dies bei der nächsten Revision des FamFG korrigieren.

B. Geltungsbereich.

 

Rn 2

§ 22 ist in allen auf Antrag eingeleiteten Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit anwendbar, sofern nicht Spezialvorschriften, wie die §§ 30 GBO, 39 SchRegO, vorgehen und die Rücknahme bzw Beendigung der Eigenart des jeweiligen Verfahrens entspricht (Begr zu § 22 RegE in BTDrs 16/6308, S 184). Die Vorschrift gilt nicht in Ehe- und Familienstreitsachen (§ 113 Abs 1 S 1) sowie in allen vAw eingeleiteten Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Kobl FamRZ 20, 1109).

C. Antragsrücknahme.

I. Allgemeines.

 

Rn 3

Abs 1 behandelt die Rücknahme von Anträgen. In ihr schlägt sich die Dispositionsbefugnis des Antragstellers nieder, sodass sie in vAw eingeleiteten Verfahren auch dann nicht gilt, wenn diese alternativ auf Antrag eingeleitet werden können (zB Betreuungsverfahren nach § 1896 Abs 1 S 1 BGB aF bzw § 1814 BGB nF).

 

Rn 4

Die Regelung gilt auch für Teilrücknahmen und ist als Verfahrenshandlung bedingungsfeindlich und unanfechtbar. Sind mehrere Beteiligte antragsberechtigt, werden durch die Rücknahme eines Antrags die übrigen Anträge unzulässig, ohne dass die betroffenen Beteiligten zustimmen müssen (Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller § 22 Rz 1).

 

Rn 5

Die Rücknahme bedarf, sofern keine Sondervorschriften vorgehen (oben Rn 2), keiner besonderen Form und kann schriftlich, mündlich im Termin (§ 32) oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle (§ 25) erklärt werden. Auch nach Rücknahme kann der Antrag erneut gestellt werden. Sollte eine Antragsfrist bestehen, ist die erneute Stellung nur innerhalb dieser möglich (Begr zu § 22 RegE in BTDrs 16/6308, S 185).

II. Antragsrücknahme und Endentscheidung (Abs 1).

 

Rn 6

Abs 1 S 1 bestimmt, das ein Antrag bis zur Rechtskraft der Endentscheidung (§ 38 Abs 1 S 1) zurückgenommen werden kann. Nach Erlass der Endentscheidung ist die Antragsrücknahme nach Abs 1 S 2 nur mit Zustimmung der übrigen Beteiligten (§ 7) möglich, denen eine verfahrensabschließende Entscheidung nicht verwehrt werden soll (Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller § 22 Rz 4).

III. Wirkungen der Antragsrücknahme.

 

Rn 7

Falls noch keine Endentscheidung ergangen ist, wird das Verfahren durch die Antragsrücknahme beendet und es ist nur noch über die Kosten zu entscheiden (§§ 81 ff). Abs 2 regelt diese Wirkungen nicht, sondern befasst sich nur mit dem speziellen Fall der bereits ergangenen, aber noch nicht rechtskräftigen Endentscheidung, die nach Abs 2 S 1 automatisch wirkungslos wird. Diese Wirkung ist nach Abs 2 S 2 im Interesse der Rechtssicherheit auf Antrag eines Beteiligten durch Beschluss auszusprechen, der rein deklaratorischen Charakter hat und deshalb nach Abs 2 S 3 unanfechtbar ist (Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller § 22 Rz 5).

D. Beendigungserklärung.

I. Allgemeines.

 

Rn 8

Abs 3 regelt für Antragsverfahren (vgl Abs 4 und oben Rn 2) die Möglichkeit, das Verfahren übereinstimmend nicht fortzuführen (Begr zu § 22 RegE in BTDrs 16/6308, S 185). Erfasst sind die Antragsrücknahme aller Beteiligten nach Abs 1 sowie die eine übereinstimmende Erklärung über die Erledigung der Hauptsache ähnlich § 91a ZPO (Brandbg v 22.2.22 – 10 UF 90/21, juris; Prütting/Helms/Ahn-Roth § 22 Rz 17).

 

Rn 9

Abs 3 gilt nicht für die einseitige Erledigungserklärung des ASt, die aber als Antragsrücknahme nach Abs 1 ausgelegt werden kann. Auch für die tatsächliche Erledigung der Hauptsache aus Gründen, die nicht der Dispositionsbefugnis der Beteiligten unterliegen (zB Erledigung des Freiheitsentziehungsverfahrens durch Haftentlassung des Betroffenen aus der Haft, BayObLG BayVBl 85, 27), erfasst Abs 3 nicht. Gleichwohl hat das Gericht vAw festzustellen, ob der Verfahrensgegenstand weggefallen und dadurch eine Erledigung der Hauptsache eingetreten ist (Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller § 22 Rz 14).

II. Übereinstimmende Beendigungserklärung.

 

Rn 10

Bei einer übereinstimmenden Beendigungserklärung bzw fehlendem Widerspruch gegen eine Beendigungserklärung des ASt ergeht keine Entscheidung mehr. Das Gericht prüft vAw, ob der Verfahrensgegenstand weggefallen ist und das Verfahren dadurch beendet wurde. Sollte der ASt trotz Beendigungserklärung den Antrag weiterverfolgen, so ist dieser zurückzuweisen.

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