Rn 3
Die Möglichkeit der Abänderung eines Unterhaltstitels ermöglicht eine Durchbrechung der materiellen Rechtskraft, die geboten ist, wenn sich die Prognose der Umstände, auf denen die Verpflichtung zur Zahlung künftig fällig werdender wiederkehrender Leistungen beruht, nachträglich als unzutreffend erweist. Aus der Zielsetzung des Abänderungsverfahrens, nur unvorhergesehene Veränderungen der maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse nachträglich berücksichtigen zu können, ergeben sich zugleich die Grenzen für die Durchbrechung der Rechtskraft; die sich hieraus ergebende Bindungswirkung der Ausgangsentscheidung darf nur insoweit beseitigt werden, als die Entscheidung auf Verhältnissen beruht, die sich nachträglich geändert haben (BGH FamRZ 10, 1150; noch zu § 323 ZPO).
Rn 4
Der Abänderungsantrag ist zwar verfahrensrechtlich ein Gestaltungsantrag, umfasst im Falle einer begehrten Erhöhung des Ursprungstitels aber zugleich einen Leistungsantrag (BGH FamRZ 01, 1140; Schlesw FamRZ 12, 990; Wendl/Dose/Schmitz § 10 Rz 138; MüKoFamFG/Pasche § 238 Rz 4; ThoPu/Hüßtege § 238 Rz 3). Es ergeben sich Abgrenzungsprobleme.
I. Abgrenzung zum Leistungsantrag.
Rn 5
Ein Leistungsantrag auf Unterhalt ist nur dann zulässig, wenn kein Abänderungsantrag zu erheben ist (BGH MDR 15, 223 [BGH 19.11.2014 - XII ZB 478/13]). Es ist zu differenzieren. Wurde mit der vorangegangenen Entscheidung ein geltend gemachter Unterhaltsanspruch wegen Fehlens der Voraussetzungen in vollem Umfang abgewiesen, enthält die Ausgangsentscheidung keine in die Zukunft reichende Rechtskraftwirkung; wäre aufgrund nachfolgend veränderter Verhältnisse ein Unterhaltsanspruch begründet, kann der Berechtigte einen neuen Leistungsantrag stellen; dies gilt demgegenüber nicht, wenn dem Antrag nur teilweise stattgegeben worden ist (BGH FamRZ 05, 101; vgl auch Graba NZFam 19, 13, 18). Ein Leistungsantrag ist auch zu stellen, wenn ein neuer Unterhaltsanspruch geltend gemacht wird (nachehelicher Unterhalt anstelle von Trennungsunterhalt). Hat die abzuändernde Entscheidung eine vorhergehende, dem Unterhaltsbegehren stattgebende, Entscheidung abgeändert, ersetzt sie die vorhergehende Prognoseentscheidung. Möchte der Unterhaltsberechtigte erneut Unterhalt geltend machen, ist dies unter den Voraussetzungen des § 238 möglich (BGH FamRZ 13, 853; 07, 983; 05, 101; Wendl/Dose/Schmitz § 10 Rz 149). Wurde ein Abänderungsantrag abgewiesen, entfaltete diese Entscheidung ebenfalls eine Prognosewirkung für die Zukunft (BGH FamRZ 12, 288; 07, 983; 05, 101); in einem erneuten Abänderungsverfahren ist ggf die den Unterhalt zusprechende Entscheidung abzuändern. Für Bindungswirkung und Präklusion (Abs 2) ist demgegenüber die letzte antragszurückweisende Entscheidung maßgebend (BGH FamRZ 12, 288; vgl auch Prütting/Helms/Bömelburg § 238 Rz 27). Wird der Unterhaltsanspruch für eine bestimmte Zeit zugesprochen und – etwa wegen der Annahme künftigen Wegfalls der Bedürftigkeit – ab einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt aberkannt, beruht die Aberkennung auf der richterlichen Prognose, dass die zukünftige Entwicklung zu einem Wegfall des Anspruchs führen werde. Wird fortgesetzt Unterhalt geltend gemacht, muss dies im Wege der Abänderung erfolgen (BGH FamRZ 07, 983; 84, 353; Graba NZFam 19, 13, 18).
Rn 6
Die Forderung eines zusätzlichen Unterhalts im Wege des Zusatz- oder Nachforderungsantrages iSv § 113 I 1 iVm § 258 ZPO ist nur dann möglich, wenn sich der schon vorliegende Unterhaltstitel eindeutig nur auf einen Teilbetrag des geschuldeten Unterhalts beschränkt (BGH FamRZ 15, 309; 09, 314 Rz 13; 85, 690). Im Unterhaltsrecht ist im Zweifel davon auszugehen, dass Unterhalt in voller Höhe geltend gemacht wird, sodass die Vermutung gegen das Vorliegen eines Teilantrags spricht (BGH FamRZ 15, 309: vergessener Altersvorsorgeunterhalt; vgl auch BGH FamRZ 85, 690). Eine Nachforderung setzt deshalb voraus, dass der Unterhaltsberechtigte im Vorverfahren entweder ausdr einen Teilantrag gestellt (offener Teilantrag) oder aber sich eine Nachforderung den Umständen nach eindeutig erkennbar vorbehalten hatte; dies ist nicht der Fall, wenn im Erstverfahren (wie häufig) lediglich Elementarunterhalt geltend gemacht wird. Ein unterhaltsrechtlicher Mehrbedarf für die Internatsunterbringung und schulische Nebenkosten ist nur im Wege eines Abänderungsantrags nach § 238 geltend zu machen (Karlsr NZFam 19, 579). Beschränkt sich der Erstantrag auf den Unterhalt, der über einen freiwillig gezahlten (Teil-)Betrag hinausgeht, erstreckt sich die Rechtskraft des ergehenden Beschlusses nicht auf das Bestehen eines Unterhaltsanspruches im Umfang der freiwilligen Zahlung. Eine Nachforderung hinsichtlich der bislang freiwilligen Leistung kann im Wege des Leistungsantrags geltend gemacht werden (BGH FamRZ 91, 320; Prütting/Helms/Bömelburg § 238 Rz 29; Sternal/Weber § 238 Rz 40 f; Zö/Lorenz § 238 Rz 6; Dutta/Jaboby/SchwabLangheim § 238 Rz 34).
II. Abgrenzung zum Vollstreckungsabwehrantrag (§ 120 I iVm § 767 ZPO).
Rn 7
Die Anwendungsbereiche von Abänderungsantrag und Vollstreckungsgegenantrag schließen sich aus. Der (nur vom Schuldner zu ...